Warten Sie lieber ab: Das Jahr der KI-optimierten PCs ist erst 2025
Der digitale Arbeitsplatz ist seit diesem Jahr um eine Gattung reicher – den KI-PC. Doch was die heute erhältlichen KI-PCs wirklich taugen, werden wir erst nächstes Jahr sehen.
KI-Produkte wie ChatGPT können uns helfen, unsere Produktivität im digitalen Alltag immens zu steigern. Zugleich ist Künstliche Intelligenz extrem leistungshungrig. Die Rechenzentren, in denen ChatGPT & Co. laufen, verbrauchen so viel Strom, dass OpenAI-Chef Sam Altman und Microsoft-Gründer Bill Gates bereits in „kleine Atomreaktoren“ investieren, die künftig in der Nähe dieser Rechenzentren errichtet werden sollen, um sie mit ausreichend Energie zu versorgen.
Mittelfristig wollen OpenAI, Google & Co. ihre KI-Modelle so sehr verkleinern, dass sie auch auf dem Smartphone laufen.
Ein Ende dieses Energiehungers ist nicht abzusehen. Ein Grund dafür ist, dass die heutigen KI-Modelle und die dafür notwendigen Prozessoren noch nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Sie sind in einer Phase ihrer Entwicklung, die jeweils auf die Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit abzielt, weniger auf die Optimierung ihrer Architektur und Energieeffizienz. Die rasante Entwicklung der KI und den letzten Jahre ließ den Herstellern dafür einfach keine Zeit für diese Aufgabe. Außerdem befinden sich Hersteller wie OpenAI, Google oder Microsoft in einem Rennen um die besten KI-Features und die Eroberung von Marktanteilen, nicht um die sparsamsten Prozessoren.
KI-Prozessoren sind in jeder Hinsicht Mangelware
Hinzu kommt, dass der Markt für KI-Prozessoren gerade erst im Entstehen ist. Der Chip-Hersteller Nvidia hat derzeit ein Quasi-Monopol auf solche Prozessoren, während Konkurrenten wie Intel und AMD dem Stand der Technik hinterher hecheln. Mit dem Effekt, dass Nvidia die Situation in bester Monopolisten-Manier ausnützt: Für die ersten Serien seiner neuen Prozessorgeneration, die vor einigen Monaten vorgestellt wurde, verlangt der Hersteller mehr als 30.000 Dollar – pro Prozessor-Board.
Wohlgemerkt handelt es sich bei diesen Prozessoren um solche, die in den großen Rechenzentren eingesetzt werden. Doch mittelfristig will die Industrie KI auch auf persönliche Geräte bringen. Alle Anbieter von KI-Software arbeiten momentan fieberhaft daran, ihre KI-Modelle so zu verkleinern, dass sie auch auf einem Smartphone oder PC laufen können. Damit hätten Anwender nicht nur den Vorteil, dass sie Herr ihrer Daten wären, sondern würden auch zahlreiche KI-Anwendungen für den PC nutzen können, die aktuell in der Entstehungsphase sind. Doch bis diese KI-Modelle und -Anwendungen marktreif sind, wird es noch eine Weile dauern, und dasselbe gilt für die Hardware: KI-Modelle für PC oder Smartphone brauchen Unterstützung durch Spezialprozessoren, und die meisten davon sind erst in der Entwicklungsphase oder sind gerade erst auf dem Markt gekommen.
Trommeln für den KI-PC
Für die Marketing-Abteilungen der IT-Industrie ist all das nicht unbedingt ein Grund zur Zurückhaltung. PC- und Chip-Hersteller wie AMD, Dell, HP, Lenovo, Intel und Nvidia haben bereits im Januar auf der Consumer Electronics Show 2024 als das „Jahr des KI-PC“ ausgerufen, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich viel zu zeigen hatten.
Was ist ein KI-PC?
Laut Forrester ist es ein PC, der mit einem KI-Chip sowie Algorithmen ausgestattet ist, die speziell dafür entwickelt wurden, um die Verarbeitung von KI-Funktionen über den zentralen Prozessor (Central Processing Unit, CPU), den Grafik-Prozessor (Graphics Processing Unit, GPU) und den neuronalen Prozessor (Neural Processing Unit, NPU) zu verbessern.
Inzwischen gibt es immerhin Prozessoren von Intel und AMD, die KI-Funktionen besser unterstützen – allerdings auf Basis der alten x86-Architektur, auf der die PCs der letzten 40 Jahre laufen. Darauf basieren auch die ersten KI-PCs, die Hersteller wie Acer, HP, Lenovo oder Dell seit einiger Zeit anbieten. Apples neueste MacBook Pro-Generation mit M3-Prozessor kann ebenfalls KI-Software besser verarbeiten. Und Microsoft kündigte diesen Monat mit dem Copilot+ PC eine neue PC-Generation an, die mit zusätzlichen KI-Chips und KI-Funktionen wie Recall ausgestattet sein soll, einer neuartigen Suche in den eigenen Daten. Die Geräte dieser Generation werden ab Mitte Juni in den USA verfügbar sein.
Erst gut überlegen, wo die KI-PCs zum Einsatz kommen
Das Analystenhaus Forrester rät vorerst zur Zurückhaltung gegenüber KI-PCs. Von der Leistungsfähigkeit der Hardware abgesehen sei es ratsam, sich dieses Jahr einige Gedanken über die Anwendungsszenarien zu machen, in welchen diese Geräte zum Einsatz kommen sollen, und die Geräte erst 2025 anzuschaffen. Im Detail empfiehlt Forrester folgende Vorgehensweise:
1Die Tätigkeiten identifizieren, die einen KI-PC brauchen könnten. Derzeit würden kreative Tätigkeiten wie Bild- und Videobearbeitung, Musikproduktion und Grafikdesign am meisten von einem KI-fähigen PC profitieren, da die KI-Features der entsprechenden Anwendungen nachweislich die Produktivität spürbar steigern können. Ingenieure und Software-Entwickler wären eine weitere Zielgruppe. Forrester empfiehlt, eine Testgruppe aus Mitarbeitern solcher Tätigkeiten einzurichten und den Einfluss von KI-PCs auf deren Produktivität zu beobachten.
2Die KI-Fähigkeiten der Betriebssysteme im Auge behalten. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI-Chips ist zu erwarten, dass die meistverbreiteten Betriebssysteme wie Windows, MacOS oder Linux mit KI-Funktionen aufgewertet werden. Es ist zu erwarten, dass dies auch Auswirkungen auf die Mindestanforderungen der PC-Hardware haben wird (z.B. mindestens 16 GB Arbeitsspeicher).
3Die Verfügbarkeit von KI-Funktionen in Business-Anwendungen beobachten. Das Ökosystem der Software-Anbieter, deren Produkte die Funktionalität der neuen KI-Chips unterstützen, ist gerade erst am Entstehen. Forrester empfiehlt Unternehmen zu schauen, welche Anwendungen, die bei ihnen im Einsatz sind, diese Funktionalität bereits unterstützen, und erst daraufhin zu entscheiden, ob und wann sie in KI-PCs investieren wollen.
4Sich nicht zu sehr auf den PC konzentrieren. PCs sind nicht die einzige Gerätegattung, die von KI-Funktionalität profitieren wird. Sowohl Google als auch Apple bauen kleinere Versionen von KI-Modellen in ihre Smartphones ein und unterstützen sie mit speziellen Chips. Darüber hinaus werden mit der Zeit verschiedene andere KI-gestützte Gerätegattungen entstehen, die sehr spezielle Zwecke erfüllen werden, wie zum Beispiel medizinische Diagnosegeräte.
Alles in allem stehen wir hinsichtlich KI-Nutzung am Arbeitsplatz erst am Anfang einer langen Reise. Investitionen in die KI-PCs von heute sollten mit einem relativ kurzfristigen Return-on-Investment (ROI) verbunden sein, denn die Erfahrung zeigt, dass Geräte der ersten Generation einer neuen Technologie sehr schnell überholt sind.