Homeoffice: Digitale Schocktherapie mit Nebenwirkungen

Die Digitalisierung der Arbeit hat durch den Lockdown einen zuvor kaum vorstellbaren Schub bekommen. Doch die über einen längeren Zeitraum erzwungene Arbeit im Homeoffice hat viele an den Rand des Burnouts getrieben. 

Wie sehr die Corona-Pandemie die Haltung von Arbeitgebern und Arbeitenden zum Thema Homeoffice verändert hat, illustriert eine neue Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Im Rahmen der Sonderanalyse „Digitalisierung und Homeoffice in der Corona-Krise“ (PDF) hatten die Institute IGES und Forsa im Dezember 2019 eine für Deutschland repräsentative Stichprobe von über 7.000 Erwerbstätigen befragt. Davon nahmen fast 6.000 auch an einer zweiten Erhebung im April 2020 teil. 

Lange Arbeitstage und die schwierige Trennung zwischen Job und Privatleben erhöhen die Burnout-Gefahr.

„Corona bringt einen Durchbruch für das Homeoffice“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Besonders die Haltung der Arbeitgeber zum Homeoffice habe sich unter dem Eindruck der Pandemie geändert. Während vorher drei Viertel großen Wert auf Anwesenheit im Betrieb lagen, schickten in der Krise viele Chefs ihre Mitarbeiter ins Homeoffice. Die Anzahl der Arbeitnehmer, die inzwischen fast täglich im Homeoffice arbeiten, hat sich von vormals 10 auf 28 Prozent fast verdreifacht. 

Auch Arbeitgeber machen endlich ernst

Die meisten Homeworker machen dabei gute Erfahrungen. Arbeitende, die erstmalig regelmäßig im Homeoffice sitzen, zeigen eine hohe Arbeitszufriedenheit und berichten von einer erfreulichen Work-Life-Balance – bei guter Produktivität. Die Mehrheit (59 Prozent), arbeitet dort nach eigenen Angaben produktiver als am normalen Arbeitsplatz. Was die Arbeitnehmer vor allem schätzen, ist der Zeitgewinn, weil der Weg zur Arbeit wegfällt (68 Prozent). Die Arbeit lässt sich auch besser über den Tag verteilen (65 Prozent) und ist für die Hälfte angenehmer als im Betrieb (54 Prozent). 

Auch bei den Arbeitgebern hat sich in den letzten Monaten einiges getan. Die Mehrheit (57 Prozent) weitete in der Corona-Krise die Möglichkeiten für digitales Arbeiten spürbar aus. Das trifft besonders für digitale Vorreiter zu, also Firmen, die neue digitale Technik grundsätzlich schnell und möglichst breit im Betrieb einführen. Homeoffice ist besonders bei Banken und Versicherungen (80 Prozent), IT-Dienstleister (75 Prozent) sowie im Bereich Kultur/Medien und der Automobilindustrie (je 68 Prozent) angesagt.

Die Trennlinie zum Privatleben verwischt

Alles positiv also? Die zweite DAK-Erhebung fand zu einem Zeitpunkt statt, zu dem jeder Arbeitende und jeder Arbeitgeber froh sein konnte, weiterhin arbeiten bzw. den Betrieb seines Unternehmens weiterhin fortführen zu können. Insofern sollten bestimmte Ergebnisse mit einem Körnchen Salz genommen werden. Vor der Pandemie beispielsweise nahm nur etwa jeder dritte Arbeitende die zunehmende Digitalisierung bei der eigenen Arbeit als Entlastung wahr, während des Lockdowns war es fast jeder zweite – ein Plus von 39 Prozent. Der Anteil derjenigen, die in der Digitalisierung eine Belastung sahen, schrumpfte hingegen um 80 Prozent.

Auch die Aussage der DAK-Studie, dass viele Erwerbstätige durch das Homeoffice Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können, trifft pauschal zu, für die Befragten mit Kindern unter 12 Jahren sogar zu 77 Prozent. Nur wissen alle Eltern, die Kinder in diesem Alter zu betreuen haben, dass diese Aussage nur dann stimmt, wenn die Kinder zumindest bis Mittag im Kindergarten oder in der Schule aufgehoben sind – nicht unbedingt wenn Homeschooling angesagt ist.  

Besonders Arbeitstätigen unter 30 Jahren fällt die Trennung zwischen Beruf und Privatleben schwer. (Quelle: DAK-Gesundheit)
Besonders Arbeitstätigen unter 30 Jahren fällt die Trennung zwischen Beruf und Privatleben schwer. (Quelle: DAK-Gesundheit)

Nicht allzu überraschend beklagten 54,2 der DAK-Befragten während der zweiten Erhebung eine schwierige Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Besonders bei Arbeitstätigen unter 30 Jahren ist dies der Fall. Auch sehen drei Viertel der Befragten kritisch, dass im Homeoffice wenig direkter Kontakt zu den Kollegen besteht, und sie Hälfte vermisst die Möglichkeit, sich spontan mit Kollegen oder dem Chef auszutauschen. 

Vorsicht, Burnout-Gefahr!

Entsprechend ist die Phase des Lockdowns nicht ohne Opfer an den Arbeitenden vorübergegangen. So hat die LinkedIn-Tochter Glint, ein Anbieter von Tools für Mitarbeiterbefragungen, Anfang Mai in einer eigenen weltweiten Erhebung unter 700.000 Arbeitenden herausgefunden, dass sich das Burnout-Risiko drastisch erhöht hatte. „Wir sehen, dass sich die Kommentare in Mitarbeiterumfragen zum Thema Burnout zwischen März und April von 2,7 auf 5,4 Prozent verdoppelt haben“, berichtete Glint. 

Zuhause ist man generell produktiver, doch der Kontakt zu Kollegen geht den meisten ab. (Quelle: DAK-Gesundheit)
Zuhause ist man generell produktiver, doch der Kontakt zu Kollegen geht den meisten ab. (Quelle: DAK-Gesundheit)

Der Anbieter bewertet das als „wachsende Bedrohung für die Produktivität und das Engagement der Arbeitenden“. Dies sei zu erwarten gewesen, da die Arbeitenden versuchten,  ihren Job während einer anspruchsvollen Situation zu bewältigen und zugleich ihre psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten. Besonders diejenigen, die angaben, Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben zu haben, zeigten 4,4 mal häufiger Anzeichen von Burnout. Bei Menschen, die sich von ihrer Arbeitsbelastung überfordert fühlten, war die Burnout-Gefahr 2,3 mal höher. 

Dennoch sollten die positiven Erfahrungen aus der Hochphase der Krise als Startschuss für nachhaltige Homeoffice-Konzepte genutzt werden, empfiehlt DAK-Chef Andreas Storm. „Wir gewinnen in der Corona-Krise wertvolle Erkenntnisse, um gesundes Arbeiten für die digitale Zukunft neu zu definieren. Es gilt, die positiven Aspekte des Homeoffice für die Zukunft fruchtbar zu machen, ohne die negativen zu übergehen.“

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