Wir vergeuden viel zu viel Zeit in unnötigen Meetings

Nicht erst seit der Pandemie sind die Kalender vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vollgestopft mit unzähligen Terminen. Dabei wird knapp jede zweite Besprechung als überflüssig angesehen. Was Firmen dagegen unternehmen können, erklärt Slack-Europachefin Pip White.

Kennen Sie das auch: Ein Meeting mit diversen Kollegen wird einberufen und hinterher sind Sie kaum schlauer als zuvor – nur müder? Dann geht es Ihnen wie vielen Beschäftigten in Deutschland. Eine Befragung von 2.000 Angestellten in Deutschland, die wir vor Kurzem gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Kantar durchgeführt haben, zeigt: Die Befragten verbringen durchschnittlich 5,1 Stunden pro Woche in Meetings, von denen sie 2,4 Stunden als unnötig empfinden. Das bedeutet, rund jede zweite Besprechung wird als überflüssig angesehen.

Konsequenzen für mentale Gesundheit und Produktivität

Seit Beginn der Pandemie spielen wir Büro vor dem Computer.

Ein Grund für die vielen unnötigen Termine? In den vergangenen eineinhalb Jahren haben viele Unternehmen ihre Arbeitsweise einfach eins zu eins in den digitalen Raum verlagert. Für die Beschäftigten hat sich also wenig verändert. Sie verbringen immer noch die meiste Zeit in Besprechungen – der einzige Unterschied ist, dass sie jetzt virtuell abgehalten werden. Etwas überspitzt könnte man sagen: Sie spielen Büro vor dem Computer. Dass diese Arbeitsweise auf Dauer nicht nachhaltig ist, ist kein Geheimnis. Nicht umsonst haben mehrere Studien seit der Pandemie einen drastischen Anstieg von Burnout und Stress im Arbeitsalltag festgestellt. 

Zu viele Meetings können nicht nur negative Folgen für die mentale Gesundheit haben, sondern auch ein produktives Arbeiten erschweren. Laut unserer Studie gibt jeder zweite Befragte, der mehr als fünf Stunden pro Woche in Besprechungen verbringt, an, dass die Meetingkultur in seinem Unternehmen die Produktivität und den Fortschritt bremst. 

Auch andere Untersuchungen bestätigen diesen Trend: So zeigt eine Studie der Harvard Business School und Boston University, dass 65 Prozent der Führungskräfte finden, Besprechungen halten sie vom Erledigen ihrer eigentlichen Arbeit ab. 71 Prozent geben zudem an, dass sie Besprechungen für unproduktiv und ineffizient halten. Kein Wunder also, dass Unternehmenslenker wie Jeff Bezos, Elon Musk oder Mark Cuban Meetings weitestgehend vermeiden.

Asynchrone Zusammenarbeit statt mehr Meetings

Natürlich lassen sich Teambesprechungen nicht komplett abschaffen – und das ist auch nicht das Ziel. Es geht darum, Meeting-Zeit sinnvoller einzusetzen. Viele der Besprechungen, die die Arbeitszeit der Angestellten in Anspruch nehmen, können durch asynchrone Updates ersetzt werden. Anstatt etwa einen eigenen Termin anzusetzen, nur um eine Reihe von Folien zu besprechen, kann jeder seine Ideen aufzeichnen und zur Konversation beitragen – in seiner eigenen Zeit. 

Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich 60 Prozent der Befragten statt weiterer Meetings mehr asynchrone Zusammenarbeit wünschen würden – etwa über Text-, Sprach- oder Video-Nachrichten. Auch Untersuchungen des Future Forum bestätigen, dass flexible Arbeitszeiten für die Beschäftigten noch wichtiger sind als Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes. 

Beim Kochboxenlieferant und DAX-Konzern Hello Fresh ist das asynchrone Arbeiten bereits gelebte Realität. Hier sind die internationalen Projekt-Teams trotz verschiedener Zeitzonen über Slack gut vernetzt. Unterhaltungen können fortlaufend weitergeführt und Chat-Verläufe leicht nachverfolgt werden, sodass eine weitestgehend nahtlose Zusammenarbeit möglich ist – obwohl alle zu verschiedenen Tageszeiten arbeiten. Das Unternehmen hat außerdem einen internationalen Podcast für Führungskräfte ins Leben gerufen, mit dem die gesamte Belegschaft einmal pro Monat ein Update erhält, das orts- und zeitunabhängig abgespielt werden kann. 

Der Meeting-Fatigue aktiv entgegenwirken

Diskussionen lassen sich auf einen Slack-Kanal verlegen, sodass in einem Meeting die letzten Fragen geklärt werden.

Auch Free Now setzt zunehmend auf eine asynchrone Arbeitsweise. Wenn bei dem Mobilitätsanbieter beispielsweise ein Thema in einer größeren Gruppe diskutiert werden soll, wird dafür häufig kein Meeting mehr einberufen, sondern die Diskussion in einen Slack-Channel verlagert. Wenn sich Mitarbeitende nachmittags etwa um ihre Kinder kümmern müssen oder einen Arzttermin haben, können sie die Diskussion zu einem späteren Zeitpunkt abrufen und ihren Teil dazu beitragen. Besprechungen gibt es bei Free Now nur noch dann, wenn es darum geht, letzte Fragen zu besprechen und zu einem finalen Ergebnis zu kommen. Das Unternehmen ist dadurch deutlich schneller und effizienter geworden und arbeitet der Meeting-Fatigue (Ermüdung) aktiv entgegen.

Eine weitere Lösungsmöglichkeit, wie man die allgemeine Termin-Flut bremsen kann: Indem man die Zeit für Besprechungen stärker einschränkt. Wie unsere Studie mit Kantar zeigt, würden es knapp 60 Prozent der Befragten begrüßen, wenn möglichst alle Meetings auf einen festen Wochentag gelegt werden. Eine ähnliche Idee setzen wir nun auch intern bei Slack um: Ab diesem Jahr starten wir damit, Freitage komplett zu blocken und von internen Besprechungen freizuhalten, so dass allen Mitarbeitenden Zeit bleibt für ungestörtes, kreatives und produktives Arbeiten – und sie die Woche in aller Ruhe zu Ende bringen können. 

Mehr Zeit fürs Wesentliche

Egal ob im Büro oder zu Hause: Es ist an der Zeit, die traditionelle Besprechungskultur, auf die viele Unternehmen noch immer setzen, zu beenden. Die Vorteile von Hybrid Work sollten nicht nur darin bestehen, dass die Abläufe digitaler werden. Es sollte auch dazu führen, dass die Arbeit weniger synchron ist und die Belastung durch einen von Meetings geprägten Kalender verringert wird. In dieser neuen Realität müssen wir den Menschen mehr Zeit geben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und ihre Tätigkeit mit ihren anderen Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Statt also weiterhin veraltete Arbeitsweisen aus dem Büro nach Hause zu verlagern, sollten wir auf eine Zukunft setzen, die digital und asynchron ist. Nur so können wir es schaffen, dass die Arbeitswelt flexibler, integrativer, vernetzter und produktiver für alle wird.


Über die Autorin

Über die Autorin

Pip White ist Senior Vice President & General Manager EMEA bei Slack. Zuvor war sie bei Google verantwortlich für die Google Cloud in Großbritannien und Irland und hatte verschiedene Führungspositionen bei Salesforce.

 

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