Quiet Cracking: Der Burnout, der sich hinter „guten Leistungen“ versteckt

Nach Quiet Quitting und Quiet Firing breitet sich nun ein neues Phänomen schleichend in deutschen Unternehmen aus: Quiet Cracking – der „stille Burnout“. Hogan Assessments hat fünf Methoden ausgearbeitet, um Quiet Cracking zu erkennen und zu verhindern.

Wir erleben derzeit eine Explosion von Schlagworten – Quiet Quitting, Quiet Firing und nun auch Quiet Cracking –, die jedoch alle auf dieselbe Wahrheit hinweisen: Wenn die Persönlichkeit, Werte und Risiken jedes Einzelnen nicht verstanden werden, werden nur die Symptome behandelt, nicht die Ursprünge.

Fast die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer gibt an, häufig unter Burnout zu leiden.

Quiet Cracking beschreibt Mitarbeiter, die es trotz Stress, Erschöpfung und mangelnder Motivation weiterhin schaffen, gute Leistungen zu erbringen. Weltweit sind fast die Hälfte aller Arbeitnehmer von dieser stillen Überlastung betroffen, was zu Produktivitätsverlusten in Höhe von Hunderten von Milliarden führt. In Deutschland deuten erste Indikatoren auf ein ähnliches Muster hin – und die Zahlen sind alarmierend.

Burnout auf dem Vormarsch: Eine stille Krise

Fast die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer gibt an, häufig unter Burnout zu leiden. Ist Burnout nur der neueste Trend am Arbeitsplatz oder stehen wir vor einer tieferen Krise? In einer repräsentativen Umfrage, die im Oktober 2024 unter mehr als 1.000 Vollzeitbeschäftigten durchgeführt wurde (Markus Knispel, 2025), gaben 44 % an, dass sie sich aufgrund ihrer Arbeit oft geistig erschöpft oder ausgebrannt fühlen. Andere Studien bestätigen diesen alarmierenden Trend: Eine Umfrage der Pronova BKK von Anfang 2024 ergab, dass 61 % der weiblichen Beschäftigten sich selbst als Burnout-gefährdet einschätzen.

Lesetipp

Langfristige Trends verstärken diese Bedenken. So ist seit etwa 2010 die Zahl der durch Burnout verlorenen Arbeitstage stetig gestiegen. Zahlen des Krankenversicherers AOK (Markus Knispel, 2025) veranschaulichen dies:

  • 2011: 96,9 Burnout-bedingte Krankheitstage je 1.000 Versicherte
  • 2020: 131,7 Burnout-bedingte Krankheitstage je 1.000 Versicherte

In Bezug auf depressive Episoden zitiert ein Bericht der Zeitung ‚Die Zeit‘ aus dem Jahr 2024 (einen Anstieg von 89 auf 102 Tage pro 100 Versicherte über einen Zeitraum von fünf Jahren. Burnout-bedingte Fehlzeiten stiegen von 8 Tagen im Jahr 2019 auf 11 Tage im Jahr 2023, wobei allein in der ersten Hälfte des Jahres 2024 bereits 10 Tage verzeichnet wurden. Gesundheitsexperten betonen, dass Burnout oft ein schleichender Prozess ist – und ohne frühzeitige Intervention laufen Betroffene Gefahr, in eine Abwärtsspirale zu geraten.

Entgegen landläufiger Meinungen betrifft übermäßige Überstunden nur eine Minderheit der deutschen Arbeitnehmer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeitete 2024 etwa jeder achte Arbeitnehmer – rund 4,6 Millionen Menschen – mehr als vertraglich vereinbart, was 12 % der 39,3 Millionen befragten Arbeitnehmer entspricht.

Ausgelaugte Mitarbeiter kommen dem Unternehmen teuer zu stehen

Dennoch hält Burnout an und erweist sich als kostspielig – nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für Unternehmen und das Gesundheitssystem insgesamt.

Für die Betroffenen selbst hat Burnout folgende Folgen:

  • Verminderte Arbeitsleistung
  • Erhöhte Fehlerquote
  • Zusätzlicher Druck auf Kollegen
  • Erhöhte Unruhe und Unsicherheit
  • Vermindertes Vertrauen in die Führungskräfte

Und für die Unternehmen sind die Auswirkungen sogar noch weitreichender:

  • Steigende krankheitsbedingte Fehlzeiten und damit verbundene Kosten
  • Produktionsausfälle
  • Langfristige Abwesenheiten und Verlust von Fachwissen
  • Belastung der Unternehmenskultur
  • Geringeres Engagement und geringere Loyalität der Mitarbeiter

Laut Daten von Instahelp belaufen sich die durchschnittlichen Kosten für Unternehmen auf 2.300 € mit 15 krankheitsbedingten Fehltagen je betroffenem Mitarbeiter, wenn Burnout erst spät erkannt wird und die Mitarbeiter daher bereits unter mäßigem Stress stehen. Bereits im ersten Jahr nach der Diagnose sinkt die Produktivität in der Regel um 25 % und bleibt in den folgenden zwei bis drei Jahren um 10 % niedriger. Für eine Rückkehr zu normaler Produktivität ist die Behandlung oft umfangreich und erfordert häufig Psychotherapie, Medikamente und Arztbesuche.

Hogan Assessments hat fünf wissenschaftlich fundierte Methoden ausgearbeitet, um Quiet Cracking zu erkennen und zu verhindern, bevor es zu spät ist:

  1. Investieren Sie in Entwicklung und Karrierewege – Mitarbeiter neigen dazu, „still zu verzweifeln“, wenn sie keine Zukunft in ihrer Position sehen. Das Aufzeigen von Wachstumschancen und das Vermitteln von konkreten Zielen und einem Arbeitssinn kann die Motivation wiederherstellen.
  2. Bauen Sie empathische Führungskräfte auf – In Deutschland ist der Führungsstil nach wie vor ein wichtiger Faktor für die Arbeitsmoral. Durch Schulungen, in denen Führungskräfte lernen, zuzuhören, zu coachen und in stressigen Zeiten Unterstützung anzubieten, lässt sich auch ein stiller Burnout entdecken und verhindern.
  3. Bringen Sie Werte und Motivatoren in Einklang – Fehlendes Engagement spiegelt oft eine Diskrepanz zwischen persönlichen Werten und der Unternehmenskultur wider. Um langfristig Energie zu tanken, ist es unerlässlich, die persönlichen Antriebskräfte der Mitarbeiter wieder mit den Werten des Unternehmens in Einklang zu bringen
  4. Messen Sie kontinuierlich, handeln Sie frühzeitigQuiet Cracking zeigt sich nicht in KPIs. Häufige Umfragen zum Engagement und Einblicke in das Verhalten helfen dabei, frühe Warnzeichen für mangelndes Engagement zu erkennen.
  5. Schaffen Sie sichere Räume für ehrliche Gespräche – Viele Mitarbeiter wissen, dass sie kurz vor ihren Grenzen stehen, haben aber nicht die Möglichkeit, dies zu äußern. Durch die Förderung offener Kommunikation und aktiven Zuhörens wird verhindert, dass kleine Probleme zu großen Krisen eskalieren.

Die Warnsignale für Quiet Cracking sind subtil, aber ernst zu nehmen: zunehmende Ängstlichkeit, emotionale Distanziertheit, Müdigkeit, geringere Teilnahme an Besprechungen oder ein plötzlicher Rückgang der Begeisterung. Führungskräfte müssen lernen, über die Ergebnisse hinauszuschauen. Wenn wir Burnout als privates Problem statt als strategisches Risiko behandeln, werden wir weiterhin still und leise großartige Mitarbeiter verlieren. Denn nachhaltiges Wohlbefinden ist kein Luxus – es ist eine Produktivitätsstrategie.


Über den Autor

Über den Autor

Ryne Sherman ist ein renommierter Persönlichkeitspsychologe und Führungsexperte. Als Chief Science Officer bei Hogan Assessments arbeitet er mit Top-Organisationen zusammen, um Führungskräfte und CEOs durch die Nutzung von Persönlichkeitsdaten auszuwählen. Er hat unter anderem umfangreiche Untersuchungen zu den drei häufigsten Herausforderungen durchgeführt, mit denen Teams in Organisationen heute konfrontiert sind, sowie Ansätze entwickelt und gestestet, um diese zu überwinden.

 

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