Ist Deutschland wirklich bereit für das Datenzeitalter?

Über Datenkompetenz geredet wurde in den letzten Jahren reichlich. Ein Blick auf den Status Quo fällt jedoch ernüchternd aus. Wie soll Datenkompetenz erlangt werden, wenn es in den Unternehmen an der Demokratisierung der Daten, der Bereitstellung von Tools und an Fortbildungsangeboten mangelt?

Das weltweite Datenwachstum hat in den letzten Jahren mehr und mehr an Geschwindigkeit zugenommen – und die Corona-Krise hat diese Entwicklung nochmals vorangetrieben. Sei es im Bereich Retail, Handel, im Gesundheitswesen oder auch im Spitzensport: Immer mehr Branchen und Unternehmen sehen die Notwendigkeit, „data driven“ zu werden.

Datenanalyse gehört in Unternehmen noch lange nicht zum Arbeitsalltag. (Quelle: Exasol)
Datenanalyse gehört in den Unternehmen noch lange nicht zum Arbeitsalltag. (Quelle: Exasol)

Doch einfach nur Daten zu sammeln ist nicht der Weg zum Erfolg. Die Aus- und Bewertung der vorliegenden Daten ist der Schlüssel, um Muster zu erkennen, bessere Vorhersagen zu treffen, Geschäftsmodelle entsprechend anzupassen, die Umsätze zu steigern und das eigene Unternehmen auf zukunftsfähige Füße zu stellen. Kurz: Aus den vorliegenden Daten echten Nutzen zu ziehen. Nicht nur daten-„getrieben“ zu sein, sondern wirklich smarter und erfolgreicher. 

Viel Nachholbedarf in Sachen Analytics

Die Frage ist allerdings: Wie gut ist man hierzulande darauf vorbereitet? Wie ist es um die Datenkompetenz der Deutschen bestellt? Unsere aktuelle Studie „Data connects people“ liefert hier erhellende Einblicke.

50 Prozent der in unserer Studie befragten Mitarbeiter sehen keinen Bereich in ihrer Arbeit, in dem Data Analytics sie unterstützen könnte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die effiziente Nutzung von Daten sich bei Weitem noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat, ist das ein besorgniserregender Wert. Denn um zu erkennen, dass es künftig kaum mehr einen Bereich unseres Lebens geben wird, in dem Daten keine Rolle spielen, muss man weder Hellseher noch IT-Experte sein. Auch bei den Führungskräften sieht es nicht viel besser aus: Gerade einmal jeder dritte Befragte (30 Prozent) ist der Meinung, dass Data Analytics ihnen zumindest Einspar- und Optimierungspotenzial bringen könnte.

Datenanalysen können auch Nachhaltigkeitsinitiativen und -prozesse unterstützen und voranbringen.

Auch zu der Frage, in welchen Bereichen Daten aus Sicht von Mitarbeitern und Führungskräften eingesetzt werden können, gibt unsere Studie Auskunft: Während immerhin 41 Prozent der Führungskräfte und 22 Prozent der Mitarbeiter angeben, in der IT Data Analytics zu nutzen, liegt der Wert im Bereich Logistik und Produktion nur noch bei 21 Prozent (Führungskräfte) bzw. 15 Prozent (Mitarbeiter). Erstaunlich, bedenkt man, dass gerade hier Abläufe durch Data Analytics effizienter, kostengünstiger und nicht zuletzt auch nachhaltiger gestaltet werden könnten.

Besonders der Nachhaltigkeitsaspekt wird hier in nicht allzu naher Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Klimawandel ist eines der großen Themen unserer Zeit. Unternehmen tun gut daran, sich diesbezüglich zeitgemäß aufzustellen – von Energie- und Wassereinsparungen bis zu nachhaltigen Einkaufs- und Produktionsprozessen schlummern hier noch viele ungenutzte Potenziale.

Für Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verschließen, könnte das schon bald zu einem echten Wettbewerbsnachteil werden – allein schon, weil immer mehr Kunden das Thema für sich entdecken und auch Unternehmen ihre Partner und Lieferanten hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitskriterien durchleuchten. Datenanalysen können entsprechende Initiativen und Prozesse maßgeblich unterstützen und deutlich voranbringen.

Bessere Datennutzung durch das Aufbrechen von Datensilos

Ein Grundproblem, warum Daten in Unternehmen nicht effizient genutzt werden, sind Datensilos. Häufig haben nur die IT-Experten Einblick in die vorliegenden Daten und deren Nutzung. Dieses „Herrschaftswissen“ verhindert, dass die Erkenntnisse abteilungsübergreifend genutzt werden – lediglich 44 Prozent der Mitarbeiter geben an, so unsere Studie, dass Daten aus verschiedenen Geschäftsbereichen bereits kombiniert werden.

Datenkompetenz sollte und muss Teil der Ausbildung in den Schulen werden.

Datendemokratisierung ist hier das Gebot der Stunde. Dazu müssen Abteilungen und Mitarbeiter stärker miteinander vernetzt und Ängste und Vorbehalte gegenüber Big Data und der Nutzung von Daten abgebaut werden. Veränderungsprozesse und Innovationen können sich in Unternehmen nur dann durchsetzen, wenn alle Mitarbeiter das gemeinsame Ziel sehen, an einem Strang ziehen und über die einzelnen Schritte im Bilde sind. Eine wirksame Maßnahme hierfür wäre, die entsprechenden Schulungsangebote bereitzustellen und das Know-how in Sachen Datenkompetenz unternehmensweit aufzubauen.

Digitale Weiterbildung: Die Meinungen gehen auseinander

Stichwort digitale Weiterbildung: Hier ergab unsere Studie ein geteiltes Bild. So gaben 34 Prozent der Führungskräfte an, ihre Mitarbeiter diesbezüglich zu unterstützen – von den Mitarbeitern sehen das nur 11 Prozent so. 20 Prozent von ihnen sagten sogar, überhaupt keine Unterstützung zu erhalten. 

Gibt es also die entsprechenden Angebote bereits und werden diese nicht wahrgenommen? Oder fehlt es an der internen Kommunikation? Klar ist, dass der selbstverständliche Umgang mit Daten endlich Einzug in die Unternehmen halten muss. Hier ist nicht nur Weiterbildung in den Firmen gefragt. Datenkompetenz sollte und muss Teil der Ausbildung in den Schulen werden. Sonst droht Deutschland, endgültig den Anschluss zu verlieren.

Das Potenzial von Data Analytics und Big Data wird hierzulande nicht mal ansatzweise ausgeschöpft.

Dass vor allem bei der jüngeren Generation deutlicher Nachholbedarf besteht, zeigte auch eine weitere Studie von uns, in der wir nach der Datenkompetenz der Digital Natives fragten. Zwar gab eine große Mehrheit an, dass der Umgang mit Daten in Zukunft so wichtig sein wird wie Lesen und Schreiben. Gleichzeitig gibt weniger als die Hälfte der befragten 16- bis 24-Jährigen an, die entsprechenden Kenntnisse in der Schule erworben zu haben. Hier sind Politik, Bildungseinrichtungen, aber auch die Gesellschaft gefragt, Kinder und Jugendliche in Zukunft besser auf das digitale Leben vorzubereiten und ihnen frühzeitig die entsprechenden Kompetenzen mit auf den Weg zu geben.

Wie geht es weiter?

Betrachtet man diese Zahlen, ist die Notwendigkeit offensichtlich, Datenkompetenz bereits in der jüngeren Generation, aber auch in den Unternehmen aufzubauen. Das Potenzial von Data Analytics und Big Data wird hierzulande nicht mal ansatzweise ausgeschöpft. Neben dem entsprechenden Wissensaufbau ist vor allem eine umfassende Datendemokratisierung notwendig, um dieses Ziel zu erreichen. Soll das gelingen, braucht es in den Unternehmen vor allem auch einen grundlegenden Kulturwandel.

Im Sinne der Agilisierung, die auch die Krise in den vergangenen Monaten vorangetrieben hat, müssen Wissenssilos gesprengt und Know-how allen zugänglich gemacht werden. Informationen zur effizienten Nutzung von Daten dürfen nicht mehr in den Händen einiger Weniger verbleiben, sondern sollten abteilungsübergreifend genutzt werden, sollen sie echten Nutzen bringen und ihr Innovationspotenzial voll ausschöpfen.


Über den Autor

Über den Autor

Mathias Golombek ist Chief Technology Officer beim Nürnberger Analytics-Spezialisten Exasol.

 

Das könnte Sie auch interessieren

Was meinen Sie dazu?

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to top button