„Unternehmen sollten sich auf die menschlichen Aspekte der Führung konzentrieren“
Bei der Einführung von KI in den Arbeitsalltag – wie auch in der Zeit danach – kommt Führungskräften eine besondere Rolle zu, sagt Allison Howell, Vice President of Market Innovation beim Personalberater Hogan Assessments.
Business User: Wie hat das Aufkommen von KI die Führungskultur in den Unternehmen verändert?
Allison Howell: Wir sehen die Auswirkungen der KI auf die Führung auf verschiedenen Ebenen. Auf strategischer Ebene kann KI ein wertvolles Werkzeug sein, um die Fähigkeiten einer Führungskraft durch Automatisierung, strategische Planung, schnelle Erstellung von Präsentationen, Datenanalyse usw. zu erweitern. Die Möglichkeiten sind wahrlich unbegrenzt.

Auf einer eher operativen Ebene müssen Führungskräfte verstehen, wo KI helfen kann und wo sie Risiken erhöht. KI kann nicht alles lösen (zumindest fürs Erste nicht) und viele Führungskräfte treiben eine Technologie voran, die noch nicht vollständig ausgereift ist. Die Führung muss sich weiterhin auf die Menschen konzentrieren und sie auf gemeinsame Ziele ausrichten.
Die Belegschaften sind natürlich besorgt über die Gefahr, die KI für ihre Arbeitsplätze darstellen könnte. Eine aktuelle Studie in Deutschland hat die natürlichen Befürchtungen hinsichtlich des Verlusts von Arbeitsplätzen deutlich gemacht, aber auch die potenziellen Vorteile neuer Technologien hervorgehoben, die die Arbeitsbelastung verringern und den Druck reduzieren können. Angesichts dieser berechtigten Bedenken muss sich die Unternehmensführung auf Change Management, Talentförderung und Teamunterstützung konzentrieren – also auf die menschlichen Aspekte der Führung. Dabei ist es entscheidend, dass die Unternehmensführung KI nutzt, um Empathie, Autonomie und sinnvolle Arbeit zu fördern, um sowohl eine Modernisierung zu erreichen aber gleichzeitig nicht den Leistungsstress für die Beschäftigten zu erhöhen.
BU: Worauf sollten Führungskräfte besonders achten?
Howell: Führungskräfte müssen die Rolle der KI aufmerksam beobachten. Es ist verlockend zu glauben, dass KI Lösungen für unsere schwierigsten Probleme bietet, aber Führungskräfte müssen 1) das Problem korrekt identifizieren, das sie zu lösen versuchen, 2) feststellen, ob KI das Problem auch wirklich lösen kann, und 3) wenn ja, in welcher Form KI hierbei nützlich sein kein. Führungskräfte sollten eine Reihe von Faktoren berücksichtigen:
- Sollten bestimmte Aufgaben automatisiert werden? KI kann bestimmte Aufgaben potenziell überflüssig machen, ist jedoch keine Patentlösung. Deutsche Daten deuten darauf hin, dass bereits 38% der Arbeitnehmer KI nutzen. Bevor Unternehmen jedoch übereilt KI einführen, sollten Sie bedenken, dass die KI nicht für alle Aufgaben geeignet ist und daher eher als Hilfsmittel zur Unterstützung der Arbeit angesehen werden sollte und nicht als als Ersatz für den Menschen.
- Was sind die ethischen Risiken und Verzerrungen? KI ist nicht neutral. Bei unsachgemäßer Verwendung kann sie Verzerrungen bei der Einstellung, Bewertung oder Entscheidungsfindung verstärken. Bei der Einstellung nutzen viele Unternehmen KI-Tools, um Bewerber für bestimmte Positionen zu überprüfen. Gleichzeitig nutzen Bewerber KI, um Lebensläufe und Anschreiben zu erstellen. Zusammengenommen bedeuten diese Maßnahmen, dass die Personalabteilung möglicherweise unwissentlich wichtige Talente übersieht, weil KI-Algorithmen diese aussortieren oder weil die KI Bewerbungen generiert, die zu homogen sind, um sie voneinander zu unterscheiden.
- Welche Auswirkungen hat dies auf die Mitarbeiter? Die Einführung von KI kann Ängste auslösen – Angst vor Arbeitsplatzverlust, Überwachung oder Sinnverlust. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert klare Kommunikation, Schulungen und Unterstützung.
- Welche Auswirkungen hat dies auf die Fähigkeiten? Einige Aufgaben werden an Bedeutung verlieren, während menschliche Fähigkeiten immer wichtiger werden: Empathie, Kommunikation, Kreativität, Change Management und kritisches Denken. Teams benötigen Anleitung, um sich an diesen Wandel anzupassen.
- Wie sieht ethische Führung und Governance aus? KI erfordert starke Rahmenbedingungen für Datenschutz, Fairness und Verantwortlichkeit. Manager müssen sicherstellen, dass KI ein Werkzeug bleibt, das den Menschen dient, ohne sie auszubeuten oder zu entmenschlichen.
BU: Welche Haltung sollten Führungskräfte gegenüber KI einnehmen? Mit anderen Worten: Was sollte KI für Führungskräfte und ihre Mitarbeiter sein?
Howell: Auf „philosophischer Ebene“ sind Führungskräfte in der Lage, die zukünftige Rolle der KI in der Gesellschaft zu bestimmen. Wenn wir den sensationellen Behauptungen Glauben schenken, hat KI das Potenzial, Arbeit überflüssig zu machen. Aber die Allgegenwärtigkeit von KI ist keine ausgemachte Sache und Führungskräfte sollten aktiv bestimmen, wie KI in unser Leben passt – und nicht, wie unser Leben in die KI passt. Aus dieser Perspektive sollte KI als Partner und nicht als Ersatz betrachtet werden. KI kann viele Reibungsverluste in unserer Arbeit reduzieren, wodurch wir uns auf sinnvollere Aufgaben konzentrieren können.
Es ist unerlässlich, dass Manager im Hinblick auf KI kritisch denken und ein gesundes Urteilsvermögen an den Tag legen. Unabhängig davon, welche Rolle KI spielt, werden Manager immer für wichtige Entscheidungen, ethische Fragen und die langfristige Vision verantwortlich sein. Der Mensch ist letztendlich derjenige, der über das „Warum“, das „Wie“ und die allgemeine Ausrichtung entscheidet.
In Kombination mit einer empathischen Führung kann KI ein Wachstumsmotor sein. Kommunikation und Transparenz sind jedoch für die Einführung und Akzeptanz von KI am Arbeitsplatz von entscheidender Bedeutung.
Allison Howell ist Vice President of Market Innovation bei Hogan Assessments. In dieser Rolle leitet sie die Bereiche Marketing und Produktentwicklungen. Ihr beruflicher Hintergrund umfasst Unternehmenskommunikation, Marketing und Personalwesen. Bevor sie zu Hogan Assessments kam, arbeitete sie als Personalberaterin und Unternehmenscoach in Paris. In dieser Eigenschaft hat sie an Projekten mit globalen Unternehmen wie Bic, Coca-Cola European Partners, Louis Vuitton und Chanel sowie mit mehreren Regierungsbehörden und gemeinnützigen Organisationen gearbeitet.



