Old School: Die Digitalisierung der Arbeitswelt leidet unter rückständigen Schulen

Alle reden von der Digitalisierung der Arbeitswelt, doch soweit muss man erst einmal kommen: Die Lernenden von heute bekommen zu wenig digitale Kompetenz beigebracht. Vielleicht kann der von der Bundesregierung geplante „DigitalPakt Schule“ daran etwas ändern.   

Nahezu die Hälfte der Schulleitungen in Deutschland halten den Einsatz digitaler Medien für überbewertet – zu viele rechtliche Fragen (85 %), zu hohe Kosten für Ausstattung und Wartung (84 %), Furcht vor der unzuverlässigen Funktionsfähigkeit der Systeme (83 %) sowie der fehlenden professionellen Betreuung der digitalen Infrastruktur (80 %).

Das Ergebnis des „Schulleitermonitors“ der Wübben-Stiftung kann man auch so interpretieren: Es gibt viele Schulen in Deutschland, denen ist der Aufwand, digitale Lernmodelle zu etablieren und die Infrastruktur dafür bereitzustellen, einfach zu hoch. Dabei wird die Vermittlung digitaler Kompetenzen, zu denen auch der Umgang mit digitalen Medien gehört, heute als eine der Schlüsselkompetenzen für die Teilhabe an der Gesellschaft und damit auch der Arbeitswelt angesehen.

„Viele Schulleitungen haben die Herausforderungen der Gegenwart nicht realisiert.“

Ob sich das ändert, wenn der Bund mehr Geld zur Verfügung stellt, wie jetzt durch den „DigitalPakt Schule“ angekündigt, ist einigermaßen offen. Der DigitalPakt sieht vor, die Schulen bei der Einführung und Nutzung digitaler Medien finanziell unterstützen. Insgesamt fünf Milliarden Euro sollen dafür bereitgestellt werden. Das Ziel: Die digitale Kompetenz zu verbessern, „um digitale Medien selbstbestimmt und verantwortungsvoll nutzen zu können und um gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben“. Allerdings muss dafür noch das Grundgesetz geändert werden, vor 2019 wird es mit der Finanzspritze also nichts.

In der Zwischenzeit streiten Kritiker und Befürworter der Digitalisierung in Bildungseinrichtungen darüber, ob, wann und wie viel Sinn es macht, digitale Lernmethoden und -inhalte in Schulen und Co. zu transportieren. Immerhin beschäftigt man sich jetzt damit, auch aus der Erkenntnis heraus, dass digitale Mittel die Motivation der Lernenden fördert. Aus einer Studie der Wübben Stiftung geht hervor, dass sich viele Schulleitungen gern besser auf die Digitalisierung vorbereiten möchten. Trotzdem: „Dass der Schulleitungsmonitor diese Diskrepanz aufdeckt, halte ich für bedenklich, zeigt er doch, dass zu viele Schulleiterinnen und Schulleiter die Herausforderungen der Gegenwart nicht realisiert haben“, so Hauptgeschäftsführer Markus Warnke gegenüber der Rheinischen Post. Die gemeinnützige Stiftung fördert benachteiligte Kinder und Jugendliche, denen es aufgrund Ihrer Herkunft besonders schwerfällt, den zahlreichen Herausforderungen der Schule und im Alltag zu begegnen. Dazu unterstützt die Stiftung Akteure des Bildungssystems durch Fördermittel, Beratung und Vernetzung.

Damit, dass Lernende motivierter sind, wenn sie mit digitalen Lernmaterialien arbeiten dürfen, lassen sich vielleicht auch Kritiker überzeugen. (Quelle: Bertelsmann Stiftung)

Dem widerspricht der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger. „Die Lehrerschaft ist sich einig, dass wir eine bessere digitale Ausstattung der Schulen wollen“, sagte Meidinger. Die „Lehrerschaft“ ist damit zumindest auf der Seite der Mehrheit. Laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom sind 60 Prozent der rund 1.000 befragten Bundesbürger der Meinung, dass Schüler durch den Einsatz digitaler Medien motivierter sind. Mehr als ein Drittel sagte, dass Smart-School-Technologien auch die Zusammenarbeit der Schüler fördern können – eine Fähigkeit, die in der modernen Arbeitswelt unter dem Begriff Collaboration bekannt und als sehr bedeutend eingestuft wird. Denn digitale Technologien, flexible Arbeitsmodelle und das Teilen von Wissen führen dazu, dass Kollegen, egal von wo, Projekte effektiv gemeinsam gestalten können.

Digital-Befürworter setzen große Hoffnungen in den ‚DigitalPakt Schule‘

Den Befürwortern der Digitalisierung in allen Bildungsbereichen, von Schule über Ausbildung bis Fortbildung, bleibt derzeit nichts anderes übrig als für ihre Ansichten zu trommeln und zu hoffen, dass der „DigitalPakt Schule“ ein Impulsgeber ist. So fordert Bitkom-Präsident Achim Berg, die rund 40.000 Schulen in Deutschland dringend mit einer zeitgemäßen digitalen Ausstattung zu versorgen, „um den Schülern grundlegendes Rüstzeug für die digitale Lebens- und Arbeitswelt mitzugeben“.

Medienkompetenz vor Sozialkompetenz. „Reflektiert das bei Lehrern vorherrschende Verständnis von sozialer Kompetenz die heutige Rolle der sozialen Medien?“, fragen die Studienautoren (Quelle: Bertelsmann Stiftung)

Die Bertelsmann-Stiftung moniert derweil im „Monitor Digitale Bildung“, dass „die meisten Schulen weder ein Konzept für den Einsatz digitaler Lernmittel haben noch den digitalen Wandel als Bestandteil ihrer systematischen Schul- und Unterrichtsentwicklung reflektieren“ – obwohl auch diese Befragung zum Ergebnis kommt, dass digitale Lernmaterialien Schülerinnen und Schüler motivieren. Zudem basiere die Ausbildung in den Berufsschulen hauptsächlich auf klassischen didaktischen Konzepten. Wenn Technik gefordert ist, dann bringen die Berufsschüler ihre Geräte oftmals selbst mit – können aber kein Schul-WLAN nutzen, weil es das nicht gibt.

Auch die Kritiker haben Zeit, sich auszutoben. Sie unterstützen Aktionen wie das Handyverbot in Schulen und sehen keinen Sinn darin, Schulen mit Tablets auszustatten, ohne dass ein Lernkonzept dahintersteckt. Zumindest mit letzterem haben sie wohl recht. Unter anderem hat das „Netzwerk Digitale Bildung“ daher in seinem neuen „Wegweiser digitale Bildung“ darauf hingewiesen, dass Schulen, die „auf das Lernen, Leben und Arbeiten in einer digitalisierten Gesellschaft vorbereiten sollen, zeitgemäße digitale Lernwerkzeuge brauchen“. Die helfen aber nur, „wenn das Zusammenspiel von Pädagogik, Technologie und Infrastruktur sowie der Aus- und Weiterbildung von Lehrenden funktioniert“, sagt Sarah Henkelmann, Sprecherin des Netzwerks Digitale Bildung.

Deutschland muss sich vom verkrampften Umgang mit der Digitalisierung lösen

Die Digitalisierung der Arbeitswelt kommt nur langsam voran, auch weil die Schulen nicht aus dem „Neuland“ herauskommen

An der Entwicklung, dass Gesellschaft und Arbeitswelten immer digitaler werden, kann man sich reiben – zweifeln tut eigentlich niemand mehr. Im Moment sieht es aber so aus, als würde diese Digitalisierung gebremst werden, weil die Schulen nicht aus dem „Neuland“ herauskommen. Zumindest scheint das in Deutschland der Fall zu sein. Hierzulande steht man dem technologischen Wandel ohnehin skeptisch gegenüber, wie eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos im Auftrag des Vodafone Instituts herausgefunden hat. Danach steht rund jeder Zweite der Digitalisierung skeptisch gegenüber. Je nach Lesart kann man das natürlich auch positiv sehen (immerhin befürwortet die Hälfte die Digitalisierung), doch in asiatischen Ländern liegen die Werte bei über 80 Prozent.

Es nutzt nichts, Arbeitgebern, die ohne digitalen Wandel im Wettbewerb auf der Strecke bleiben und deshalb unter Druck sind, allein die Last der digitalen Kompetenz ihrer Mitarbeiter ans Bein zu binden. Die Unternehmenskultur, der mit der digitalen Transformation gerade ganz neu definiert wird, der Fachkräftemangel und junge Mitarbeiter aus der Generation ‚Digital Natives‘ zwingen Unternehmen ohnehin, digitale Lernangebote im Intranet zu machen oder die Beschäftigten auf Fortbildungen intern oder extern zu schicken. Sowohl für die Mitarbeiter als auch für Arbeitgeber wäre es wünschenswert, wenn bereits die Bildungseinrichtungen einen Grundstock an digitaler Kompetenz vermitteln würden.

Der ‚Monitor Digitale Bildung‘ der Bertelsmann-Stiftung entstand in Zusammenarbeit mit dem mmb-Institut für Medien- und Kompetenzforschung. Bei den Fragen an Schüler, Auszubildende, Studierende und Weiterbildungsteilnehmer sowie Lehrkräfte an Schulen und Berufsschulen, Ausbilder, Professoren und Trainer im gesamten Bundesgebiet kam eine breite Datenbasis über alle Bereiche des Lernens heraus.

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