Hybride Arbeit als Ergebnis guter Moderation

Das Beispiel rapidmail zeigt, dass hybride Arbeit klappen kann, wenn die Regeln einvernehmlich beschlossen werden und der dazugehörige Prozess gut moderiert wird.

„Wir wollen den Leuten einfach den Raum geben und sie sollen selbst bestimmen, was sinnvoll ist oder nicht“, sagt Sven Kummer, Gründer und Geschäftsführer von rapidmail.  (Foto: Carina Adam Photography)
„Wir wollen den Leuten einfach den Raum geben und sie sollen selbst bestimmen, was sinnvoll ist oder nicht“, sagt Sven Kummer, Gründer und Geschäftsführer von rapidmail. (Foto: Carina Adam Photography)

Die Back-to-Office-Welle rollt weiter und Konzerne wie Amazon oder Dell sorgen immer wieder für Schlagzeilen mit ihren Versuchen, ihre Angestellten vom Homeoffice wieder zurück ins Büro zu holen. Andere Unternehmen gehen mit dem Thema hybride Arbeit entspannter um. Zu ihnen gehört auch der Freiburger Anbieter von Newsletter-Software rapidmail. Von seinen insgesamt 47 Angestellten, verteilt an den beiden Standorten Freiburg und Berlin, arbeiten acht ausschließlich remote. Für alle anderen gilt eine „Zwei-Wochentage-im-Büro“-Regel, die allerdings laut Geschäftsführer Sven Kummer nicht allzu streng gehandhabt wird.

Um bei diesem Thema zu dieser entspannten Haltung zu kommen, durchlief rapidmail – bedingt durch seine Firmengeschichte – einen langen iterativen Prozess. „rapidmail hat schon recht früh damit angefangen, mehrere Standorte aufzubauen, weil Anfang der Zehnerjahre Software-Entwickler so schwer zu finden waren“, erklärt Kummer. „Deswegen sind wir relativ früh in das Thema Remote Work hineingerutscht. Heute haben wir mit Freiburg und Berlin zwei Standorte, wo jeweils etwa die Hälfte der Belegschaft angesiedelt ist.“

Lockdowns als Katalysator für Remote Work

In den Jahren nach der Gründung 2008 war das Thema Büro noch recht einfach, erinnert sich Sven Kummer. „Am Anfang waren wir überwiegend Software-Entwickler, die still vor sich hin gearbeitet haben. Mit der Zeit kamen Abteilungen wie Kundenservice hinzu, es wurde lauter, und wir mussten Büros suchen, in denen die Leute sich in verschiedenen Räumen verteilen konnten. Irgendwann kamen Chat-Tools und Videokonferenzen dazu und führten uns zu Remote Work. Und spätestens durch Corona entdeckten viele die Vorzüge des Homeoffice.“

Lesetipp

Corona war dann auch der Katalysator für die heutigen Regelungen und die erste Erkenntnis bestand darin, dass die Produktivität im Homeoffice alles andere als sinkt. „Es ist schon wahr, Homeoffice ist produktiv, sehr produktiv sogar“, sagt Kummer. „Aus der Perspektive eines Arbeitenden schließe ich mich auch hundertprozentig an. Aber aus der Perspektive des Kollektivs wird es schwieriger. Während dieser Zeit konnte man sehen, wie es am Teamzusammenhalt etwas gebröckelt hat.“

Teamzusammenhalt, Motivation sowie die Bindung zum Unternehmen und der restlichen Belegschaft sind genau die Gründe, die Unternehmen wie Apple, Google oder Amazon aufführen wenn es darum geht, ihre Mitarbeitenden wieder zurück ins Büro zu holen, und sei es nur für ein paar Tage pro Woche. Sie alle mussten irgendwann schmerzhaft feststellen, dass wenn das alles fehlt, ihre vielleicht größte Stärke als Unternehmen auf der Strecke bleibt – die Kreativität. Auch war es wahrscheinlich kein Zufall, dass während und direkt nach Corona die Wechselwilligkeit auf ein Allzeithoch schnellte. Bleiben Teamgeist und die Bindung zum Unternehmen aus, ist der nächste Arbeitgeber nur einen Mausklick weit entfernt.

Gemeinsame Aktivitäten stärken das Wir-Gefühl

Sven Kummer sieht es ähnlich. „Würden wir alle nur remote arbeiten, bin ich mir sicher, dass da etwas verloren ginge“, sagt er. „Nicht unbedingt die Produktivität, aber auch als Geschäftsführer würde ich ungern sehen, dass alle nur wie gut geölte Maschinen arbeiten. Viel lieber sehe ich, dass die Leute untereinander Spaß haben und sich gerne austauschen. Auch bei uns sitzt der Großteil gerne mit anderen zusammen, plaudert, trinkt ein Feierabendbier, grillt – wir haben hier eine super Dachterrasse –, was auch immer. Ich will niemanden dazu zwingen, aber wenn man es anbietet, wird es schon genutzt. Und da kann man gut beobachten, dass die Leute merken, dass während der Corona-Zeit irgendwas verloren ging.“

„Ohne Regelungen würde es Beschwerden geben, dass man die Kollegen nicht mehr sieht.“

Der soziale Kontakt und der Teamzusammenhalt werden bei rapidmail mit vielerlei Mitteln gepflegt. Einmal im Monat gibt es ein rund einstündiges Company Meeting, bei dem alle dabei sind und immer etwas präsentiert wird. Am Tag des Interviews stellte jemand aus dem Content-Marketing-Team eine YouTube-Strategie vor, beim Meeting davor jemand anderes ein interessantes Buch. „Wir wollen den Leuten einfach den Raum geben, sich aktiv einzubringen und sie sollen selbst bestimmen, was sinnvoll ist oder nicht“, sagt Kummer. 

Darüber hinaus gibt es alle paar Monate ein Teamevent am jeweiligen Standort. „Die gab es schon immer bei rapidmail“, erklärt Sven Kummer. Während der Startup-Zeit sei man einfach alle paar Wochen am Freitagabend zusammen etwas essen und trinken gegangen. Mit der Zeit hat es sich etwas professionalisiert, aber es geht nach wie vor darum, gemeinsam Spaß zu haben. „Wir fragen dazu immer die Mitarbeitenden, worauf sie Lust haben, und wir schlagen auch selbst Aktivitäten vor. Und natürlich kostet das alles Zeit und Geld, aber das ist es uns wert.“ 

Eine Frage der richtigen Balance

Die „Zwei-Wochentage-im-Büro“-Regel von rapidmail ist so ausgelegt, dass die zwei Präsenztage am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag sein sollten, und das funktioniert laut Kummer soweit gut. Und obwohl er seinen Mitarbeitenden am liebsten komplett freistellen würde, wie sie mit dem Thema Remote Work umgehen, ist er inzwischen zu der Überzeugung gekommen, dass es die Regel braucht. „Ich befürchte, dass es sonst irgendwann Beschwerden geben würde, dass man die Kollegen nicht mehr sieht. Wir haben die Leute auch dazu befragt und heraus kam, dass alle es gut fanden, wenn es ein bis zwei feste Tage pro Woche gäbe, wo sich alle im Büro sehen können.“

Dass viele Firmen, vor allem Großunternehmen, sich mit dem Thema hybride Arbeit schwer tun, liegt nach Ansicht von Sven Kummer wahrscheinlich an deren Ansatz. „Der Schlüssel liegt für mich darin, die richtige Balance zu finden. Ich glaube, es lohnt sich, diesen Prozess zu moderieren. Für uns passt es so, weil wir es gemeinsam entschieden und gestaltet haben. Bei Großunternehmen müsste wohl vieles über die Firmenphilosophie in die Teams getragen werden. Wenn die Firmenkultur von der Führung vorgelebt wird, kann ich mir gut vorstellen, dass es funktionieren könnte.“

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