Der Siegeszug der selbstlernenden Roboter
Die Verbreitung von Robotern steigt exponentiell an. Wenn Roboter auch ohne aufwendige Programmierung in der Lage sind, komplexe Aufgaben durchzuführen, wird sich der Siegeszug der billigen und hochpräzisen Maschinen wohl nicht mehr aufhalten lassen. Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?
Zwei Roboter schrauben einen Ikea-Stuhl zusammen. Was die Kunden des schwedischen Möbelhauses oft zur Verzweiflung bringt, erledigen die beiden Maschinen kollaborativ und mit höchster Präzision.
Bis die Maschinen soweit waren, diese Arbeit durchzuführen, mussten die drei Wissenschaftler der Technischen Universität Singapur im Vorfeld umfassende Programmierungen leisten. Nur haben sie nicht etwa explizit die einzelnen Schritte für das Zusammenbauen des Stuhls einprogrammiert. Vielmehr haben Francisco Suárez-Ruiz, Xian Zhou und Quang-Cuong Pham Nanyang die Roboter durch Machine Learning dazu gebracht, den Bauplan des auseinandergenommenen Stuhls zu „lesen“ und daraufhin das Möbel ohne vorherige Programmierung zusammenzuschrauben.
Die Forscher haben für das Experiment einen Stuhl gekauft und ausgepackt. Die Roboter haben dann die zufällig angeordneten Teile eigenständig zusammengesucht, nachdem eine 3D-Kamera Schrauben, Holz und Dübel identifizierte und den Lagerort bestimmte.
Rund 3 Sekunden dauerte diese Lokalisierung. Etwa 11 Minuten lang haben die Roboter anschließend die nächsten Schritte geplant. Die Maschinen hatten eine Bauanleitung dazu gespeichert, mussten aber eigenständig planen, welches Teil zuerst verwendet wird und welche Bewegungen durchgeführt werden müssen, um sich nicht gegenseitig zu behindern. Das eigentliche Zusammensetzen des Stuhles dauerte etwa 9 Minuten.
Proffessor Pham Quang Cuong, Leiter des Teams, erklärt, dass es für einen Roboter deutlich komplexer ist, eine solche Arbeit durchzuführen, als es auf den ersten Blick erscheint. Drei Jahre lang haben die Forscher daher die beiden Roboter, die ausschließlich aus Standard-Bauteilen gefertigt sind, im Vorfeld programmiert. In einem nächsten Schritt planen die Experten aus Singapur, die Roboter noch autonomer zu machen.
Diese sollen dann mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz jeden beliebigen Bauplan lesen, oder auch die Schritte aus der menschlichen Herangehensweise extrahieren können. Irgendwann wird dem Roboter ausreichen, wenn er ein Bild des fertigen Werkstücks gezeigt bekommt.
Künstliche Intelligenz hebt Roboter auf ein neues Leistungsniveau
Das Start-up Osaro aus San Francisco geht ähnliche Wege. Die Software des Startups ermöglicht es einem Roboter zu lernen, welches Material und welche Form er vor sich hat. Damit spielt es keine Rolle mehr, ob man den Roboterarm eine Orange oder einen Stahlbolzen greifen lässt. Nach wenigen Versuchen hat der Roboter die richtige Kraft ermittelt, mit der er ein Werkstück anpacken muss.
Osaro hat auf einer Food-Messe in Japan zusammen mit Denso Robotics einen Roboter gezeigt, der Hähnchenteile und eine Tomate in eine Bento-Box gibt. Die Herausforderung hier ist neben der Kontrolle der Kraft, mit der der Roboter zupacken muss, vor allem die Tatsache, dass die Fleischteile alle sehr unterschiedlich geformt sind.
Ohne die Hilfe von Künstlicher Intelligenz sind solche Aktionen bislang nicht vorstellbar. Roboter werden heute dort eingesetzt, wo nach aufwändiger Programmierung ein Arbeitsschritt sehr häufig durchgeführt werden muss.
Mit der Hilfe von Bilderkennung und anpassungsfähigen Algorithmen können Roboter künftig mit wesentlich geringerem Aufwand im Vorfeld jede erdenkliche Arbeit durchführen: sortieren, schweißen, bohren, packen. Nicht umsonst hat Amazon 2016 die Amazon Picking Challenge ausgerufen, bei der 40 verschiedene Objekte von einem Roboter in ein Regal sortiert werden mussten.
Der Markt für Roboter geht durch die Decke – und der Arbeitsmarkt?
Über gute Geschäfte konnten sich Roboterhersteller in den letzten Jahren nicht beklagen. Laut International Federation of Robotics (IFR) verbuchten sie letztes Jahr ein Wachstum von 29 Prozent, bis 2020 soll sich die Zahl der Roboter weltweit verdoppeln. Schon heute kommen weltweit im Durchschnitt 74 Roboter auf 10.000 menschliche Arbeitskräfte. In Europa liegt die Roboterdichte heute bereits bei 99, in Asien liegt der Anteil bei 63 Einheiten pro 10.000 Mitarbeiter.
Die IFR hat in einer Studie die Verbreitung von Robotern untersucht. Hinter Südkorea und Singapur ist Deutschland mit 309 Robotern in der Herstellung weltweit auf dem Rang drei, was die Automatisierung anbelangt. 2016 stieg die Zahl der eingesetzten Roboter um 36 Prozent. Aber was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?
Blickt man auf die Beschäftigungszahlen in Deutschland, würde man einen massiven Jobabbau erwarten. Das allerdings ist nicht der Fall. Vielmehr gab es 2017 mit 44 Millionen Angestellten so viele Jobs in Deutschland wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung.
Mehr höher qualifizierte Jobs, höheres Lohnniveau
Das zeigt eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). „Die Modernisierung der Produktion verlagert gefährliche, ungesunde und monotone Arbeiten auf Maschinen. Häufig werden jedoch nur bestimmte Tätigkeiten automatisiert und nicht das gesamte Spektrum einer Arbeit“, betont Junji Tsuda, Präsident der IFR.
Tatsächlich fallen Arbeitsplätze weg. Laut ZEW-Bericht ersetzte die Automatisierung innerhalb der zurückliegenden 5 Jahre etwa 5 Prozent der Beschäftigten. Allerdings sorgten diese neuen Technologien in anderen Bereichen für neue Jobs. Unter dem Strich gehen die Autoren der Studie von einem Beschäftigungswachstum von etwa 1 Prozent aus.
In der gesamten Industrie sollen demnach die Technologietrends Digitalisierung und Automatisierung bis 2021 zu einem Beschäftigungswachstum von 1,8 Prozent führen. Zu beobachten ist allerdings, dass die Zahl an geringer qualifizierten Jobs weiter abnimmt. Gleichzeitig steigen jedoch die Löhne und die Produktivität.
Ob das auch dann noch der Fall ist, wenn die Roboter nicht nur in einzelnen speziellen Bereichen eingesetzt werden können, wie es derzeit noch der Fall ist, ist allerdings fraglich. Immerhin muss man sich dann auch keine Sorgen mehr machen, wer den neuen Ikea-Stuhl zusammensetzt.