Was hilft gegen Isolation und Frust im Homeoffice?
Unternehmen und Arbeitende sind immer noch darum bemüht, die Auswirkungen von Remote und Hybrid Work zu verstehen und ihre Arbeitsweisen darauf einzustellen. Aus Sicht der Unternehmen gelingt das am besten, wenn sie die Ursachen der Probleme verstehen.
Hybride Arbeit ist gekommen, um zu bleiben. „Die Zukunft der Arbeit ist digital“, betont auch Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom. „In der Pandemie sind Millionen Beschäftigte ins Homeoffice gewechselt. Dieses Rad kann man nicht zurückdrehen.“ Nach einer Umfrage des Verbands haben in Deutschland mehr als 80 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit über 20 Mitarbeitern bereits die Möglichkeit, auch außerhalb der Betriebsstätte zu arbeiten – und sie wollen sie auch weiterhin nutzen.
Laut einer weltweiten Studie von Vanson Bourne im Auftrag des Softwareherstellers VMware unter 7.600 Arbeitenden, Personalmanagern und Führungskräften gehen drei von vier der Befragten davon aus, dass hybride Arbeitsmodelle auch nach der Pandemie sich durchsetzen werden. Doch während sich Arbeitende über das Plus an Flexibilität und Unternehmen über die gesteigerte Produktivität freuen, machen sich auch weniger erfreuliche Nebeneffekte bemerkbar.
Isolation macht wechselwillig
Der am besten messbarste ist die gesteigerte Fluktuation. Bereits im Januar 2021 sagten 41 Prozent der Befragten einer Umfrage von LinkedIn, dass sie darüber nachdenken, ihren aktuellen Arbeitgeber zu verlassen. Eine Trendumkehr scheint sich zum Zeitpunkt der Durchführung der VMware-Studie (August 2021) nicht eingestellt zu haben. Etwa 42 Prozent der befragten Personalmanager bestätigten eine höhere Zahl an Abgängen nach Ausbruch der Pandemie.
Die höhere Fluktuation hat sehr wahrscheinlich viel mit der anderen großen Nebenwirkung von Remote Work zu tun, der Isolation. Dass Führungskräfte den Kontakt zu Mitarbeitern verlieren und vor allem Berufsanfänger sich alleingelassen oder nicht abgeholt fühlen, bestätigte Anfang letzten Jahres eine Studie von Microsoft. Bezeichnend dabei war die unterschiedliche Wahrnehmung der Situation: Während 61 Prozent der befragten Führungskräfte in der Microsoft-Studie sagten, sie seien im Homeoffice „aufgeblüht“, lag dieser Anteil bei den nichtleitenden Arbeitenden irgendwo zwischen 46 und 33 Prozent.
Gelegenheit zu mehr Zusammenarbeit
Führungskräfte scheinen sich inzwischen des Problems bewusster zu sein und entgegenzuwirken. In der VMware-Studie bestätigten 80 Prozent der befragten Manager, dass sie mehr Zeit mit der Teambildung verbringen, seit deren Team remote arbeitet. „Ich habe heute viel mehr Meetings als in der Zeit vor der Pandemie“, bestätigt auch Ralf Gegg, Head of Sales der End-User Computing Division bei VMware. Das Positive daran sei, dass man viel intensiver mit dem eigenen Team zusammenarbeiten kann – mit Betonung auf „zusammen“.
Es sei nicht mehr so, dass man sich im stillen Kämmerlein etwas erarbeitet und anschließend sein Team damit konfrontiert. „Heute ist es einfacher, spontan ein Meeting aufzusetzen, um gemeinsam mit dem Team über eine neue Idee zu brainstormen“, sagt Gegg. „Damit können sich die Mitarbeiter deutlich früher und mehr einbringen. Der Feedback-Mechanismus zwischen Idee und der Frage, was wir gemeinsam tun können, ist heute eindeutig schneller. Diese Arbeitsweise ist kreativer und hat den erfreulichen Nebeneffekt, dass weniger hierarchisch und mehr kooperativ gearbeitet wird als zur Zeit, wo einer sich am Flipchart hingestellt hat.“
Knackpunkt spontane Kommunikation
Auch dass ein reales Arbeitsumfeld sich eben nicht von heute auf morgen digital nachbilden lässt, scheint sich inzwischen herumgesprochen zu haben. Der spontane Plausch an der Kaffeemaschine, der auf der rein menschlichen Ebene so nötig ist, mag unter pandemiebedingten Kontakteinschränkungen nicht möglich zu sein; doch Unternehmen versuchen, auch für solche Zeiten etwas Abhilfe zu finden.
„Die Frage ist, wie man spontane Kommunikation orchestrieren kann, damit auch unter den Teammitgliedern mehr Kontakt entsteht“, sagt Ralf Gegg. „Wir haben herausgefunden, dass Mitarbeiter mit gemeinsamen Interessen einfacher zueinander finden. Wir fördern das indem wir entsprechende Teams- oder WhatsApp-Gruppen machen. Das scheint ganz gut zu funktionieren.“
Vertrauen vs. Überwachung
Dass räumliche Distanz und fehlender Direktkontakt sich nicht positiv auf die Vertrauensbasis zwischen Arbeitenden und ihren Vorgesetzten oder dem Unternehmen auswirken, ist eine Binsenweisheit. Dennoch begehen viele Unternehmen allzu leicht den Fehler, ihr Misstrauen gegenüber ihren Angestellten offen zu zeigen. Besonders in Ländern, in denen Arbeitnehmerrechte und der Datenschutz am Arbeitsplatz keine allzu große Rolle spielen, kommen immer häufiger Überwachungs-Tools zum Einsatz. Laut VMware-Studie haben 70 Prozent der befragten Unternehmen bereits Software zur Produktivitätsmessung auf den Firmenrechnern ihrer Angestellten installiert oder haben es zumindest vor.
Mitarbeiter, die merken, dass man ihnen nicht vertraut, ziehen lieber weiter.
Rechtlich ist das Deutschland nicht einfach so möglich, doch unabhängig davon: bringt das überhaupt was? In der VMware-Studie gaben Unternehmen, die eine Geräteüberwachung eingeführt hatten, eher an, dass ihr Umsatz gestiegen sei. Zugleich warnen die Studienautoren davor, allzu leicht Schlüsse aus dieser Tatsache zu ziehen. „Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern vertrauen, können sich im zunehmenden Wettbewerb um Talente einen dauerhaften Vorteil verschaffen“, schreiben sie.
Gute Technik schafft zufriedene Mitarbeiter
„Es gibt einen schmalen Grat zwischen Überwachung und Erfolgskontrolle“, gibt Ralf Gegg zu bedenken. „Mitarbeiter, die merken, dass man ihnen nicht vertraut, ziehen lieber weiter. Für Unternehmen bedeutet das den Verlust von Talenten. Was aber sowohl Unternehmen als auch ihre Mitarbeiter eigentlich möchten, ist ergebnisorientiertes Management. Und wir als Technologieunternehmen machen uns Gedanken darüber, wie wir das unterstützen können.“
Die Maxime von VMware lautet dabei: „Zufriedene Mitarbeiter liefern die besten Ergebnisse.“ Also baut VMware lieber Tools, die die Funktionalität der IT-Infrastruktur überwacht, statt die Mitarbeiter selbst, und befragt sie nach ihrer Zufriedenheit. Wenn die Technik nicht gut funktioniert und zugleich die Mitarbeiter nicht zufrieden sind, habe man zumindest ein Problem identifiziert.
Die Last liegt auf den Führungskräften
Es gibt viele mögliche Ursachen für Isolation und Frust im Homeoffice. Dazu kommt, dass der gute Kontakt bzw. das gute Verhältnis zu Vorgesetzten und dem Team nur bedingt eine Holschuld seitens der Angestellten sind. Hier ist das Engagement der Führungskräfte gefragt, wie auch die Studie feststellt: „Virtuelle Arbeitsumgebungen erhöhen zweifellos die Anforderungen an Führungskräfte. Sie müssen funktionierende Teams bilden und einen dauerhaften Kulturellen Wandel herbeiführen. Erfolgreiche Unternehmen stellen sich dieser Herausforderung, indem sie neue teambildende Verhaltensweisen fördern und entsprechende Führungspositionen schaffen.“
Vielleicht ist es für größere Unternehmen wirklich an der Zeit, die Position eines Chief Remote Officers zu schaffen. Denjenigen, die das bereits realisiert haben, attestiert die Studie immerhin bessere Wachstumschancen.