Mensch und Maschine im Team: Cobots in der Produktion
Kollaborierende Roboter – sogenannte Cobots – spielen eine Schlüsselrolle in modernen Automatisierungsstrategien. Doch wie weit ist die Industrie, und welches Potenzial steckt in diesen vielseitigen Helfern?
Im Gegensatz zu klassischen Industrierobotern, die meist hinter Sicherheitszäunen operieren, wurden Cobots speziell für die direkte Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt. Nach einer erfolgreichen Risikobeurteilung lassen sie sich problemlos in bestehende Produktionsumgebungen integrieren – ohne aufwendige Umbauten und Schutzeinhausung. Diese Flexibilität macht Cobots zu einer idealen Lösung, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Ziel ist dabei nicht, den Menschen zu ersetzen, sondern ihn zu ergänzen: In der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) bringen beide Seiten ihre Stärken ein. Roboter arbeiten unermüdlich und mit höchster Präzision, während Mitarbeitende ihre Kreativität und Problemlösungskompetenz nutzen.
Roboter arbeiten unermüdlich und präzise, Mitarbeitende bringen Kreativität und Kompetenz ein.
Die besonderen Eigenschaften von Cobots fördern diese Symbiose. Sie sind intuitiv zu bedienen, benötigen wenig Platz und können sowohl schwere Lasten heben als auch filigrane Aufgaben mit höchster Genauigkeit ausführen. Ausgestattet mit passenden Endeffektoren wie Greifern oder Schraubendrehern passen sie sich flexibel an Produktionslayouts an und übernehmen eine Vielzahl von Tätigkeiten: Sie palettieren, handhaben Materialien, beschicken Maschinen, montieren Bauteile und führen Qualitätskontrollen durch.
Produktivität steigern, Kosten senken
Ein zentraler wirtschaftlicher Vorteil von Cobots ist die messbare Steigerung der Produktivität. Sie arbeiten rund um die Uhr – und das ohne Ermüdung. Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie effektiv der Einsatz sein kann: Der mittelständische Zulieferer VEMA steigerte seine Produktivität um 30 Prozent, indem er Cobots einsetzte, die es ihm ermöglichten in einer zusätzlichen dritten Schicht zu produzieren. Bei VEMA übernehmen inzwischen vier UR5e-Cobots spezifische Aufgaben: Einer beschickt eine Messanlage, zwei weitere sind für Pick-and-Place-Prozesse zuständig, und der neueste Zugang automatisiert Verpackungsarbeiten.
Die Programmierung und Implementierung erfolgte vollständig inhouse, einschließlich der Entwicklung maßgeschneiderter Greifer und einer Greiferwechseleinheit. Dank niedriger Anschaffungskosten und einer schnellen Amortisation, oft bereits nach wenigen Monaten, sind Cobots für Unternehmen jeder Größe attraktiv. VEMA hat mit ihrem Einsatz nicht nur den Fachkräftemangel entschärft, sondern auch die Effizienz deutlich gesteigert.
Mitarbeitende binden, neue Fachkräfte anziehen
Darüber hinaus tragen die Leichtbauroboter auch zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen bei und stärken die Arbeitgebermarke. Indem sie monotone, ergonomisch ungünstige Tätigkeiten wie schweres Heben oder Arbeiten über Kopf übernehmen, entlasten sie Mitarbeitende und reduzieren gesundheitliche Risiken. Das steigert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Zufriedenheit der Belegschaft. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels punkten Unternehmen, die auf Automatisierung setzen: Sie präsentieren sich als innovativ und zukunftsorientiert, ziehen technikaffine Talente an und fördern die langfristige Bindung der bestehenden Belegschaft. So wird Automatisierung zum Wettbewerbsvorteil auf mehreren Ebenen.
Eine Industrie im Wandel
Das hohe Potenzial von Cobots in der Industrie zeigt auch die jüngste Studie von Universal Robots. Dafür wurden 1.200 Hersteller aus sieben Ländern, darunter Deutschland, zu ihrem Einsatz moderner Technologien und ihren Zukunftsplänen befragt. Das Fazit: Roboterautomatisierung gehört inzwischen zu den drei Top-Investitionsfeldern der Zukunft. Bereits 40,5 Prozent der befragten Unternehmen nutzen Roboterlösungen, während 50,2 Prozent auf Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen setzen.
38 Prozent der deutschen Unternehmen planen, ihre Investitionen in Roboter-Automatisierung auszubauen.
Besonders bemerkenswert: Diese Digitalisierungstechnologien haben sich als förderlich für die Produktqualität (weltweit 54 %) und Produktivität (weltweit 50 %) erwiesen. In Deutschland zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild: Sicherheitsbedenken, regulatorische Hürden und der Mangel an spezialisierten Integratoren bremsen die Dynamik. Gleichzeitig planen 38 Prozent der deutschen Unternehmen, ihre Investitionen in Roboterautomatisierung in den kommenden zehn Jahren deutlich auszubauen – ein klares Signal, dass die Automatisierung auch hierzulande weiter Fahrt aufnehmen wird.
Die nächste Evolutionsstufe: KI und Cobots
Die Verbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) und kollaborierenden Robotern treibt die industrielle Automatisierung auf ein neues Niveau. „KI ist nicht nur ein Hype. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen sind heute entscheidende Treiber für Innovation und Effizienz in der Fertigungsindustrie“, erklärt Anders Billesø Beck, Vizepräsident für Strategie und Innovation bei Universal Robots. Diese „physische KI“ ermöglicht es Cobots, komplexe Aufgaben nicht nur präziser, sondern auch autonomer zu erledigen.
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie weit diese Entwicklungen bereits greifen: Die HWL Löttechnik GmbH automatisierte das Be- und Entladen von reflektierenden, variantenreichen Metallstäben – ein Prozess, der bisher aufgrund von Variationen in Größe, Gewicht und Position sowie Reflexionen durch wechselnde Lichtverhältnissen nur mit menschlichem Geschick lösbar war. Mithilfe eines Cobots und dem KI-gestützten Vision-System MIRAI von Micropsi Industries bewältigt die Lösung diese Herausforderungen, indem sie sich flexibel an verändernde Bedingungen anpasst. Das Ergebnis: HWL optimierte die Zykluszeiten um 20 Prozent, senkte Kosten und entlastete die Belegschaft.
Die Vision vollständig autonomer Roboter
Um diese Fortschritte einzuordnen, lohnt ein Blick auf die Entwicklungspfade der Robotik. Wie beim autonomen Fahren können auch in der Robotik fünf Evolutionsstufen definiert werden, die den Grad der Autonomie beschreiben. Aktuelle Cobots, die vorprogrammierte Aufgaben ausführen und sicher mit Menschen zusammenarbeiten, bewegen sich auf den Stufen 2 bis 3 – vergleichbar mit Fahrzeugen mit teilautonomen Assistenzsystemen wie etwa einem adaptiven Tempomat oder Spurhalteassistenten. Die Vision vollständig autonomer humanoider Roboter (Stufe 5), die eigenständig denken und handeln, bleibt hingegen eine Herausforderung der Zukunft.
Eine entscheidende Rolle auf diesem Weg spielen Entwicklungen wie der AI Accelerator von Universal Robots. Dieses Toolkit aus Hardware und Software ermöglicht es Unternehmen, Funktionen wie Objekterkennung, Pfadplanung und Qualitätsprüfung effizient in ihre Cobot-Anwendungen zu integrieren. Dadurch lassen sich KI-gestützte Roboter-Automatisierungslösungen schneller und risikoarmer entwickeln und Markteinführungszeiten erheblich verkürzen.
Cobots – Mehrwert heute, Potenzial morgen
Cobots leisten bereits heute einen entscheidenden Beitrag, indem sie Prozesse optimieren, Mitarbeitende entlasten und durch KI-Integration neue Möglichkeiten schaffen. Während vollautonome humanoide Roboter noch Zukunftsmusik sind, bieten die aktuellen KI-gestützten Cobots echten Mehrwert und ebnen den Weg für zukünftige Innovationen. Trotz technologischer Fortschritte bleiben die Anpassungsfähigkeit und Kreativität des Menschen unersetzlich. Cobots sind keine Konkurrenz, sondern Partner – und ein entscheidender Schlüssel für die Entwicklung der Zukunft.