Kurzzeitverträge fördern eine Abbrechermentalität
Unternehmen, die Angestellte nur als Mittel sehen, den eigenen Marktwert möglichst schnell zu steigern, bekommen im Gegenzug Mitarbeiter, die genau dasselbe im Sinn haben und deswegen schnell andere Optionen verfolgen.
Memorabilia mit Aufschriften wie „Zum 50. Firmenjubiläum“ findet man heute höchstens noch auf eBay. Die globalisierte Wirtschaft verfolgt vor allem kurzfristige Gewinnziele. Vorbei sind die Zeiten, als ein Gründer ein Unternehmen so führte, dass es eines Tages von den Enkeln übernommen wird. Nachhaltiges Wirtschaften heißt heute vor allem eines: Aktionäre bei Laune halten!
Loyalität gegenüber Mitarbeitern ist in einer ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmenswelt zum Auslaufmodell geworden. Unternehmen, die Mitarbeitern wenig bezahlen, können mehr Geld in die Dividende stecken, so die Logik. So viele Mitarbeiter wie möglich sollen daher auch möglichst kurzfristige Verträge bekommen, um eine Organisation schnell zu skalieren –oder auch um schnell wieder konsolidieren zu können.
Doch genau diese Logik wenden Mitarbeiter auch auf sich selbst an. Sie sehen sich als ein Asset, das bestimmte Fähigkeiten mitbringt und die möglichst gewinnbringend vermarktet werden sollten.
„Unternehmen sagen das selten in dieser Deutlichkeit, aber in der Praxis will man Angestellte, die schnell und mit geringem Aufwand wieder entlassen werden können – mit anderen Worten, Angestellte, die vom Arbeitgeber keine langfristigen Verpflichtungen erwarten“, erklärt Ilana Gershon, Associate Professor der Anthropologie an der Universität Indiana in einem Essay.
Immer den nächsten Job Auge
„Aber wie eine Anstellung ist auch Loyalität keine Einbahnstraße – kurzfristige Jobs und bindungsfreie Unternehmen führen letztlich zu Angestellten, die zeitlich begrenzte Arbeitsverträge ebenfalls als erstrebenswert ansehen. Man stellt also vor allem Abbrecher ein.“ Für Leute dieser Mentalität verwendet die US-Professorin den Begriff „CEOs of Me Inc.“. Entscheidend ist für sie nicht etwa eine gute Bezahlung oder ein Firmenwagen. Interessiert sind sind sie vor allem für Stellen, die sie optimal auf den nächsten Arbeitsplatz, die nächste Position oder Gehaltsstufe vorbereiten.
Für Gershon ist es für Abbrecher nur logisch, die Karriere als eine Reihe von Kündigungen zu begreifen. In einer Welt, in der vor allem der Marktwert eines Assets betrachtet wird, sollte es nicht wundern, wenn auch die Angestellten immer wieder die eigene Bewertung durch den Markt suchen.
Wer etwas Besseres findet, keine emotionale Bindung zu einem Unternehmen oder sonst keine Verpflichtung hat, werde diese Option schnell aufgreifen, dann aber meist außerhalb des Unternehmens. Diese Jobs müssen jedoch bestimmte Merkmale aufweisen, um als erstrebenswert eingestuft zu werden. Die Aufgaben dürfen nicht zu spezifisch auf das Unternehmen zugeschnitten sein. Es muss genug Zeit bleiben, um sich nach neuen Jobs umzuschauen. Die Stelle muss vor allem zu einem neuen Job führen. Das bedeutet aber, dass eine Arbeit, die gut für das Unternehmen ist, nicht unbedingt gut sein muss für die Person, die sie ausführt. Und das kann wiederum negative Folgen für das Unternehmen haben.
Kollegialität ist ein alter Hut
Die Buchautorin Gershon beobachtet, dass in dieser Kündigungsmaschinerie Kollegialität einen neuen Stellenwert bekommt – oder besser gesagt, einen neuen Beigeschmack. Denn wer sich mit einem Mitarbeiter gut stellt, der schnell bei einem anderen Unternehmen einen guten Job bekommt, hat damit schon einen Fuß in der Tür des neuen Arbeitgebers.
Wie aber können Unternehmen in diesem Umfeld noch sicherstellen, dass die Mitarbeiter noch für das „brennen“, wofür sie eingestellt werden? Es sind heute eben nicht mehr die Unternehmen, für die man Begeisterung zeigt, sondern die Tätigkeiten, glaubt Gershon. Wie sie aus Gesprächen mit Personalern berichtet, werden inzwischen häufig Kandidaten bevorzugt, die eine gewisse Leidenschaft für eine Tätigkeit mitbringen. Berufserfahrung wird dagegen als weniger wichtig eingestuft. Und die Leidenschaft gilt einzig und allein einer bestimmten Aufgabe. Nach Gershons Darstellung wird es auch für Unternehmen immer unwichtiger, ob Mitarbeiter sich wohl fühlen, ob sie gut mit Kollegen auskommen oder ob sie eine Bindung zum Unternehmen entwickeln. Hauptsache der Job wird gut gemacht – und wenn nicht, wird eben ausgetauscht.