Mehrarbeit vs. Effizienz: Strategien für höhere Produktivität

Mittelstandsstrategien gegen Fachkräftemangel und Produktivitätsverlust

In der modernen Arbeitswelt streben Unternehmen nach höchster Produktivität. Aktuell wankt dieser Plan jedoch aufgrund des Fachkräftemangels. Aber ist es die Lösung, Mehrarbeit als Maßnahme zur Steigerung der Produktivität zu fordern?

Feierabendarbeiter:innen sind um 20 Prozent weniger produktiv, aber doppelt so anfällig für Burnout als jene, die pünktlich aufhören.

Der traditionelle 9-to-5-Job in Deutschlands Büros wird als veraltet angesehen. Es setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass nicht die Menge der Stunden, sondern die Qualität und Effizienz der Arbeit entscheidend für den Erfolg sind. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels, der den deutschen Mittelstand besonders hart trifft, wird oftmals versucht, fehlende Arbeitskraft durch Mehrarbeit auszugleichen. Expert:innen schlagen inzwischen sogar vor, täglich eine halbe Stunde dranzuhängen und somit die wöchentliche Arbeitszeit aufzustocken – obwohl allgemein der Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche immer lauter wird.

Der Mythos der Extra-Arbeit

Dennoch hält sich in vielen Unternehmen der Irrglaube, Mehrarbeit sei ein Zeichen von Engagement und Qualität. Mitarbeiter:innen, die bis spät in die Nacht produktiv arbeiten und am Wochenende vor ihrem Arbeitsrechner sitzen, gelten oft als sogenannte High-Performer. Sie betrachten Herausforderungen und Hindernisse als Chancen und zeichnen sich durch ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Problemlösung und zur Erzielung von Ergebnissen aus.

Auf das psychische Wohlbefinden der High-Performer kann unbeabsichtigt viel Druck ausgeübt werden.

Doch dies hat seine Schattenseiten: Studien zeigen, dass übermäßige Arbeitsstunden langfristig zu Burnout, Gesundheitsproblemen und einem Absinken der Produktivität führen können. Betriebliche Praktiken können unbeabsichtigt Druck auf das psychische Wohlbefinden von High-Performern ausüben. Dazu gehören immer anspruchsvollere Projekte, die Erwartung, weniger leistungsstarke oder erfahrene Kolleg:innen zu unterstützen, häufige Anfragen in Angelegenheiten außerhalb des eigentlichen Aufgabenbereichs und „Up-or-Out“-Systeme, bei denen Mitarbeiter:innen um Beförderungen konkurrieren. Der kurzfristige Gewinn in Form von mehr erledigter Arbeit kann sich langfristig in Form von krankheitsbedingten Ausfällen und reduzierter Effizienz rächen. Hierdurch leidet nicht nur der/die engagierte Mitarbeiter:in – auch die gesamte Organisation kann Schaden nehmen.

High-Performer vs. Fake-Work-Profis

Ganz anders verhalten sich die sogenannten Fake-Work-Profis. Sie wirken beschäftigt, tragen jedoch wenig zur Erreichung von Meilensteinen oder zum Projektfortschritt bei. Ihre Büroanwesenheit erstreckt sich ebenfalls über Stunden, sie sind oft in Meetings, doch tatsächlich befolgen und fördern sie ineffiziente Arbeitsweisen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Einige Mitarbeiter:innen fühlen sich unter Druck gesetzt und wollen als engagiert angesehen werden, um letztendlich die lang ersehnte Beförderung vor den Kolleg:innen zu bekommen, die pünktlich den Laptop zuklappen. Andere wiederum nutzen Überstunden, um unangenehmen Aufgaben zu entkommen oder ihre ineffiziente Arbeitsweise zu kaschieren.

Fake-Work-Profis nutzen Überstunden, um ihre ineffiziente Arbeitsweise zu kaschieren.

Der Workforce Index (2023), eine globale Umfrage von Slack unter mehr als 10.000 Büroangestellten –  2.000 davon in Deutschland –, enthüllt neue Erkenntnisse darüber, wie der Arbeitstag strukturiert werden kann, um die Produktivität zu maximieren und das Wohlbefinden zu stärken. Mehr als ein Drittel (37 %) meldet sich mindestens einmal pro Woche außerhalb der Standardarbeitszeiten an. Mehr als die Hälfte (54 %) diese:r Arbeitnehmer:innen tut dies, weil sie sich dazu gedrängt fühlt. Diejenigen, die sich nach Feierabend zur Arbeit verpflichtet fühlen, erzielen 20 Prozent niedrigere Produktivitätsbewertungen und berichten von Stress, geringerer Zufriedenheit mit dem Arbeitsumfeld und doppelter Burnout-Rate als jene, die sich pünktlich ausloggen.

Der Weg zu echten High-Performern

Die Frage ist nun: Wie können Mittelstandsunternehmen echte High-Performer gewinnen oder ihre Mitarbeitenden zu solchen werden lassen und gleichzeitig Fallstricke wie Überstunden oder Fake-Work vermeiden?

Meetingzeit runter, Fokus rauf

Es ist wichtig, den Fokus von Anwesenheit und Arbeitsstunden auf die tatsächlichen Ergebnisse zu verlagern. Viele Mitarbeiter:innen verbringen viel Zeit in unnötigen Meetings. Sie verlieren wertvolle Zeit, die sinnvoller für operative Arbeit eingesetzt werden könnte. Eine tägliche Konzentrationsspanne von vier Stunden gilt als optimal, während mehr als zwei Stunden in einem Meeting oft als belastend empfunden werden. Diese wertvolle Konzentrationszeit sollte nicht durch Meetings beansprucht werden, deren Inhalt auch in einem Slack-Chat besprochen werden könnte. Beim Mobilitätsanbieter Free Now werden für Themen, die in einer größeren Gruppe diskutiert werden sollen, beispielsweise keine Meetings mehr einberufen. Stattdessen werden die Diskussionen in einen Slack-Channel verlagert. Offizielle Besprechungen gibt es bei Free Now nur noch dann, wenn es darum geht, letzte Fragen zu besprechen und zu einem finalen Ergebnis zu kommen.

Förderung einer gesunden Work-Life-Balance – auch im Büro 

Die Förderung einer gesunden Work-Life-Balance ist entscheidend, denn Mitarbeiter:innen, die genug Zeit für Erholung und Familie haben, sind oft motivierter und produktiver. Um diese Work-Life-Balance zu gewährleisten, sollten Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle anbieten und sicherstellen, dass Überstunden eine seltene Ausnahme sind. Ein pünktlicher Feierabend kann die Produktivität um 20 % erhöhen. Auch regelmäßige Pausen sind förderlich für Leistung und Wohlbefinden, dennoch verzichtet knapp die Hälfte der Desk-Jobber darauf.

Investition in Mitarbeitendenentwicklung

Die Entwicklung der Mitarbeiter:innen sollte Priorität haben. Schulungen, Weiterbildungen und Mentoring-Programme helfen dabei, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen zu verbessern. Gut ausgebildete Angestellte sind effizienter und können mehr Verantwortung übernehmen.

Einsatz von Technologie

Technologien wie Automatisierung und KI können die Belegschaft von repetitiven Aufgaben befreien und Prozesse optimieren. Dadurch werden Kapazitäten frei, die es den Mitarbeiter:innen ermöglichen, sich auf anspruchsvollere und kreative Aufgaben zu konzentrieren. Eine Produktivitätsplattform wie Slack kann die Vernetzung und den Wissenstransfer innerhalb der Teams und über Abteilungsgrenzen hinweg fördern. In Channels organisierte Arbeitsbereiche führen dazu, dass Konversationen und Dateien Teil eines durchsuchbaren Archivs werden. Es ermöglicht den Teams, schnell Antworten zu finden, Zusammenhänge zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen, ohne aufwändig nach Personen oder Informationen suchen zu müssen.

Vertrauen als Fundament der Unternehmenskultur

Eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur fördert die Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen. Wenn Angestellte wissen, dass ihre Arbeit gesehen und geschätzt wird und sie Vertrauen genießen, sind sie eher bereit, ihr Bestes zu geben und fühlen sich nicht gezwungen, ständig erreichbar zu sein und an jedem Meeting teilzunehmen.

Produktivität und Wohlbefinden im Gleichgewicht

Der Mangel an Fachkräften fordert den Mittelstand enorm. Die schnellste Lösung muss allerdings nicht Mehrarbeit sein. Vielmehr ist ein nachhaltiges Vorgehen gefragt, das Ergebnisorientierung, eine ausgewogene Work-Life-Balance, die Förderung von Mitarbeiter:innen, Technologieeinsatz und eine Vertrauenskultur in den Fokus rücken. Dies ermöglicht es Unternehmen, eine leistungsstarke Belegschaft heranzubilden und zu binden, ohne deren Produktivität und Wohlergehen zu riskieren. Häufige Arbeit außerhalb regulärer Arbeitszeiten kann signalisieren, dass Unterstützung bei der Aufgabenpriorisierung und beim Zeitmanagement notwendig ist.


Über den Autor

Über den Autor

Tim Schwietal ist Head of Central Europe bei Slack.

 

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