Warum die Benutzererfahrung mehr zählt als reine IT-Kennzahlen
Wenn die IT-Infrastruktur einwandfrei funktioniert heißt es noch lange nicht, dass die Anwender zufrieden und produktiv sind. Ob sie es sind und wie sehr, kann heute technisch gemessen und vor allem verbindlich vereinbart werden – in Experience Level Agreements, kurz XLAs.
Für Qualitätskriterien von IT-Services und -Support sind traditionell Service Level Agreements (SLAs) das Maß der Dinge. In diesen Vereinbarungen werden die Parameter und Kennzahlen festgelegt, anhand derer die Qualität einer vereinbarten IT-Dienstleistung gemessen wird. Doch unbeantwortet bleibt dabei: Ist der Mitarbeiter am digitalen Arbeitsplatz mit dem, was bei ihm als Service ankommt, überhaupt zufrieden? Ist er produktiv oder wird er nur genervt und ausgebremst? Eine Frage, die für Unternehmen immer wichtiger wird, wie auch eine aktuelle Nexthink-Studie zeigt, die von Vanson Bourne erhoben wurde.
XLAs verändern die Sicht auf die Frage, wie sich gute IT-Services definieren.
Denn gut funktionierende IT-Infrastrukturen (aus Sicht der IT) bedeuten nicht automatisch, dass für Endanwender störungsfreies und effizientes Arbeiten gewährleistet ist. Das ist ähnlich wie beim Wetter mit der gemessenen und gefühlten Temperatur: Vermeintlich angenehme 17 Grad können bei Wind und Nieselregen durchaus ungemütlich sein. Auf den Arbeitsplatz bezogen würde das zum Beispiel bedeuten, dass eine Netzwerkverbindung gut genug für Office-Arbeit oder das Aufrufen von Videos über das Internet sein kann, gleichzeitig aber nicht gut genug für das Moderieren eines Webinars.
Wie lässt sich Nutzerzufriedenheit nachvollziehen?
Um nachvollziehen zu können, wie ein IT-Service oder die Nutzung von Anwendungen und Endgeräten tatsächlich empfunden wird, braucht es systematisch erfasste Messwerte beim Endanwender sowie den Kontext der gerade ausgeführten Tätigkeit. Erst diese Informationen liefern für die IT greifbare Ansatzpunkte für Maßnahmen.
Das heißt, objektive Messwerte der Arbeitsumgebung müssen zeitnah in Zusammenhang gebracht werden mit dem subjektiven IT-Erlebnis aus Sicht des Anwenders (sogenannte Sentiment-Analysen). Diese Messwerte liefern Digital-Experience-Plattformen (DEX). Sie erfassen auf den Endgeräten Leistungskennzahlen auf Hardware-, Anwendungs- und Netzwerkebene, im Idealfall kombiniert mit dediziertem Anwender-Feedback. Aus diesen Daten lassen sich Kennzahlen ableiten, die für die Beurteilung einer produktiver Arbeitsumgebung wesentlich sind. Festgehalten werden diese nicht in SLAs, sondern in XLAs – Experience Level Agreements.
Welche XLAs für ein Unternehmen entscheidend sind, lässt sich am besten anhand von konkreten Anwendungsfällen (Use Cases) definieren. Aus der Projekterfahrung von Nexthink lässt sich sagen, dass eine veränderte Sicht auf die Frage, was eine erfolgreiche IT in Bezug auf den digitalen Arbeitsplatz ausmacht, diesen Prozess vereinfachen kann. Diese veränderte Sicht lässt sich mitunter durch folgende Schritte gewinnen:
1. Das „Warum“ der eigenen XLA-Strategie klären
Dieser Schritt schärft zum einen das Problembewusstsein zum Unterschied zwischen technischer und gefühlter Qualität digitaler Arbeitsplätze. Zum anderen hilft er, die Optimierung digitaler Arbeitsplätze mit Geschäftszielen abzugleichen. Ein Signal für die Notwendigkeit einer neuen XLA-Strategie ist beispielsweise, wenn die Anzahl der Tickets im IT-Support hoch ist, obwohl im IT-Backend kaum Auffälligkeiten zu verzeichnen sind. Auch die Menge an Schatten-IT und inoffizieller Workarounds an digitalen Arbeitsplätzen zeigt, dass Endanwender mit zu vielen Kompromissen bzw. selbstgebastelten Lösungen agieren.
Als mögliche Ansatzpunkte, um die Notwendigkeit für eine neue XLA zu manifestieren, können beispielsweise folgende Ziele aufgeführt werden:
→ Bei Digitalisierungsinitiativen maximal die Anforderungen der Mitarbeiter einbeziehen.
→ Bei Cloud-First-Strategien die Auswirkungen auf digitale Arbeitsumgebungen besser berücksichtigen.
→ Die Umstellung auf hybrides Arbeiten optimieren.
→ Die Evaluation und Anpassung von geschäftskritischer Software verbessern.
2. Konkrete Ziele setzen
Bei diesem Schritt wird sichergestellt, dass XLA-Messungen auch zu konkreten, nachweisbaren Verbesserungen bei Endanwendern führen werden. Das heißt, dass aus XLA- und Sentiment-Analysen in Korrelation mit SLAs die richtigen Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Dies kann Anforderungen betreffen wie:
→ Anzahl und Dauer von IT-Störungen reduzieren.
→ Anzahl der von Endanwendern selbstverursachten IT-Störungen reduzieren.
→ Vermeidung eines erhöhten Ticket-Aufkommens bei der Einführung neuer Software-Lösungen.
→ Ausrichtung des IT-Supports auf unterschiedliche Levels an IT-Kompetenzen, so dass Mitarbeiter mit viel oder wenig IT-Erfahrung die geeignete Unterstützung erhalten.
→ Umsetzung strikter IT-Security- und Compliance-Policies ohne Beeinträchtigung der Produktivität und der Sicherstellung eines positiven IT-Erlebnisses.
3. Übersetzung der Ziele in korrelierte SLA-XLA-Maßnahmen und -Messungen
Je klarer die Ziele formuliert sind, umso besser lassen sie sich in messbare SLA- und XLA-Kennzahlen übersetzen – drei Beispiele:
- Rückgang der Tickets im IT-Support bei gleichzeitig verbessertem Anwenderfeedback zur beschleunigten Problemlösung und höheren Nutzungsraten der Self-Service-Angebote.
- Rückgang der Tickets im IT-Support aufgrund verbesserter proaktiver und kontextbezogener Kommunikation der IT mit Endanwendern (etwa über direkte Nachrichten am Bildschirm), verifiziert durch Feedback-Analysen.
- Rückgang der Tickets im IT-Support durch den Einsatz von Predictive Tools zur proaktiven Vermeidung von IT-Störungen, verifiziert durch entsprechende Telemetriedaten aus Endgeräten und Feedback-Analysen.
Bereits an diesen Beispielen wird klar, dass direktes, zeitnahes und kontextbezogenes Feedback von Endanwendern entscheidend ist, um Maßnahmen bewerten und anpassen zu können – denn: Die Zahl der Tickets sinkt auch, wenn der IT-Support sich als wenig hilfreich erweist. Hinzu kommt: Erfahren die Anwender, dass ihr Feedback spürbar etwas bewirkt, sind sie auch bereit, sich für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu engagieren – statt still zu resignieren bis hin zur Kündigung.
4. Einführung einer XLA-Kultur
Die Use Cases helfen zu verstehen, wie und welche XLAs für bestimmte Ziele gemessen und operativ durch entsprechende SLAs unterstützt werden müssen. Dies führt zu einem grundlegenden Verständnis dazu, warum es zu einer Diskrepanz zwischen technischen Parametern und dem tatsächlichen IT-Erlebnis kommt. In der Folge wird es für die IT einfacher, die für ihr Unternehmen individuellen Wege für eine XLA-Kultur zu definieren und umzusetzen. Dies betrifft grundsätzlich vier Anforderungen:
Digitalen Arbeitsplatz als Ganzes analysieren und nicht nur einzelne Services:
Die Ursachen für langsame Anwendungen oder Programmabstürze können an Cloud-Services, lokalen Servern, Netzverbindungen oder schlicht an überlasteten Prozessoren beim PC des Anwenders liegen. Vieles davon ist weitgehend vorhersehbar und durch entsprechendes End User Experience Management vermeidbar.
Doch die herkömmliche verteilte Sicht auf das Unternehmensnetz lässt zu viel Raum für Interpretationen darüber zu, wo die Ursachen für ein schlechtes IT-Erlebnis liegen könnten und wie sie zu beheben sind. Neben einer integrierten Analyse von IT-Ereignissen macht es daher Sinn, mit Predictive-Tools Ausfälle von vornherein zu verhindern oder betroffene Anwender frühzeitig zu warnen, gepaart mit Workaround-Hinweisen als Überbrückungshilfe während einer Störung.
Kommunikation mit Relevanz:
Statt E-Mails oder kryptischer Support-Tickets haben Anwender in den meisten Fällen mehr davon, wenn sie über Pop-up-Meldungen auf dem Bildschirm gezielt die für sie relevanten IT-Informationen erhalten. Das beginnt bereits bei vermeintlichen Kleinigkeiten: eine Vorwarnung, wenn Störungen drohen, eine Meldung zur Dauer einer Störung, ein Hinweis, was bei instabilen Internet-Verbindungen am besten zu tun ist oder proaktive Terminvorschläge, um den Laptop beim IT-Support aufrüsten zu lassen.
Ähnlich ist es mit Feedback-Fragen. Je klarer sie für Anwender im Kontext ihrer aktuellen Situation am digitalen Arbeitsplatz stehen, umso höher sind die Antwortquoten und die Aussagekraft der Angaben.
Korrelation von technischen mit Sentiment-Daten:
Die Gegenüberstellung von Daten aus dem IT Performance Management mit Feedback- und Sentiment-Daten aus Anwenderbefragungen zeigt, inwieweit die Sicht der IT ein realistisches Bild zum tatsächlichen IT-Erlebnis am Arbeitsplatz darstellt. Diskrepanzen sind ein wichtiger Ansatzpunkt für die IT, um mögliche Ursachen von Beeinträchtigungen grundlegend zu beheben. Zum anderen helfen sie, Muster von IT-Ereignissen zu interpretieren und proaktiv Störungen zu verhindern.
Anwender und ihre Anforderungen differenzieren:
Zwischen IT-affinen Power-Usern und reinen Nutzern von Standardanwendungen ist ein weites Feld – was die einen langweilt und ausbremst, überfordert die anderen. Dies in der IT-Kommunikation, bei Schulungen, der Bestimmung von Freiheitsgraden bei individuellen Systemeinstellungen oder bei Verfahren zur Störungsbehebung zu berücksichtigen, ist wesentlich für ein positives IT-Erlebnis am Arbeitsplatz. Hier können XLA-Analysen einen wichtigen Beitrag leisten, um digitale Arbeitsplätze nach individuellen Bedürfnissen bereitzustellen und zu unterstützen.
Fazit
Aus vermeintlich schwammigen XLAs sollte man handfeste Kennzahlen definieren, wie sie aus den Telemetriedaten der Endgeräte und dem systematischem, bidirektionalem Anwender-Feedback abgeleitet werden. Dann haben die Kennzahlen auch die nötige Aussagekraft, um durch eine direkte Korrelation mit den SLAs aus dem IT-Backend eine ganzheitliche Sicht auf digitale Arbeitsumgebungen zu gewährleisten. Das Ergebnis sind Antworten darauf, wie es wirklich um die Qualität der Technologie am Arbeitsplatz bestellt ist und wo die Prioritäten zur Verbesserung der Situation gesetzt werden sollten.